Schwarzwälder Bote Villingen, 28.09.2023

 

Und tschüss – das Dekanat verliert Mitglieder

Man hört es landauf, landab: Missbrauch, Razzien bei Kardinälen und die steigende Inflation, die über alle Ausgaben gründlich nachdenken lässt, der katholischen Kirche rennen die Gläubigen weg. Aber wie sieht es eigentlich bei den Evangelischen aus?

Schwarzwald-Baar-Kreis Kirchenaustritte seien längst kein Phänomen der katholischen Kirche mehr, gibt Pfarrer Peter Krech im Redaktionsgespräch offen zu. Auch die evangelische Kirche habe ihre Probleme – und folglich Mitglieder, die ihr den Rücken kehren.

Damit rechnet das Dekanat Der Rückgang von Gemeindegliedern hat mit den Ausschlag dafür gegeben, dass die evangelische Kirche und ihre Gemeinden im Schwarzwald-Baar-Kreis vor einer Reform stehen. Doch wie schlimm ist es um die Gemeinden hier bestellt?

In den Plänen zum Projekt „Ekiba 2032“, in dem die Transformation und Reduktion der evangelischen Kirche Gestalt annehmen soll, stellt man sich darauf ein: merklich weniger Gläubige werde es geben.

Die Prognosen im Detail Im Kooperationsraum Süd, der Bezirk mit Donaueschingen, Hüfingen, Blumberg, Bad Dürrheim, Oberbaldingen und Öfingen geht man davon aus, dass dort perspektivisch 9000 Gemeindeglieder leben werden – aktuell: fast 10 600. Das Dekanat rechnet also mit einem Rückgang um weitere 15 Prozent bis 2032.

Eine ähnliche Prognose stellen die Verantwortlichen für den Kooperationsraum Nord-West (St. Georgen/Tennenbronn, Furtwangen, Triberg, Königsfeld, Weiler, Buchenberg und Mönchweiler). Noch zählt die evangelische Kirche hier 11446 Mitglieder – von 9000 im Jahr 2032 geht man aktuell aus und damit von einem rechnerischen Rückgang um 21,37 Prozent.

Im Raum Mitte, zu dem die Kirchengemeinde Villingen mit Jakobus/Niedereschach und Matthäus/Marbach sowie Brigachtal gehören, baut man aktuell auf 13 646 Gemeindeglieder. Laut Prognosen würden 2032 noch 11 500 davon übrig sein, 15 Prozent weniger.

So veränderten sich die Zahlen zuletzt Der Mitgliederschwund setzte schon vor Jahren ein. Ein Blick in die Statistik des Dekanats zeigt das deutlich. Gehörten 2004 zur Kirchengemeinde Villingen noch 17 161 evangelische Christen, waren es 2022 gerade einmal noch 13 646 – 20,5 Prozent weniger. Im den Umlandgemeinden war dieser Trend mit 28 868 Gemeindegliedern im Jahr 2004 und 22 040 im Jahr 2022 und damit fast 24 Prozent weniger sogar noch stärker spürbar. Insgesamt verlor die evangelische Kirchengemeinde in den vergangenen 18 Jahren also in der Stadtgemeinde Villingen und den Umlandgemeinden mehr als 10 000 Gemeindeglieder, das sind fast 23 Prozent.

Doch woran liegt das? „Die Frage nach Gott und die Mitgliedschaft in der Kirche scheint vielen nicht mehr wichtig“, sagte dazu Württembergs Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl im Frühjahr in einem Pressegespräch. Die Badische Landeskirche hat alleine im Jahr 2022 mehr als 63 500 Mitglieder verloren. Das lag nicht nur an zahlreichen Sterbefällen, sondern auch an immer mehr Austritten.

Das sind die Gründe Eine bundesweite Repräsentativumfrage zu den Austrittsgründen durch das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche Deutschland ging der Sache im Jahr 2021 auf den Grund. Demnach war für 71 Prozent der vormals Evangelischen die Ersparnis der Kirchensteuer ausschlaggebend. Dass Missbrauchsfälle und der Umgang der Kirchen damit vielen ehemaligen Kirchenmitgliedern ein Dorn im Auge sind, und zwar beider großen christlichen Konfessionen in der Region, besagte eine nicht repräsentative Umfrage des SW im vergangenen Jahr – 91 Prozent der katholischen und immerhin 70 Prozent der Protestanten gaben diesen Grund an, wobei auch hier neun von zehn Teilnehmenden angegeben haben, dass sie ausgetreten seien, um die Institution Kirche nicht länger finanziell zu unterstützen.

Die Landeskirche reagiert nach eigenen Angaben mit dem Zukunftsprozess „ekiba2032“ auf die rückläufigen Mitgliederzahlen und die Veränderungen in der Gesellschaft.