Badische Zeitung Markgräflerland, 16.09.2023

 

Ein schiefes Kreuz als Zeichen des Anstoßes

Dorfkirchen erzählen oft interessante Geschichten. In einer Serie stellt die BZ Gotteshäuser in kleinen Ortschaften der Region vor. Heute: die evangelische Kirche Sankt Gallus in Gallenweiler.

Heitersheim-Gallenweiler Klein und schnuckelig ist die evangelische Kirche Sankt Gallus in Gallenweiler. Umgeben von einem kleinen Friedhof, auf dem ausladende Bäume Besuchern Schatten spenden – so auch Helmut Hurst, der nach 40 Jahren im Pfarrgemeinderat noch immer die gute Seele der Gemeinde ist. Er gewährt einen Einblick in den einschiffigen Rechteckbau mit abgewalmtem Dach, der mitten im Dorf unweit vom Dorfplatz steht.
Wer die Kirche betritt, sieht auf der gegenüberliegenden Seite des Kirchenschiffs von links nach rechts: Liedanschlag, Rednerpult – also Kanzel, Altar, Osterkerze und Taufbecken. Einen klassischen Altarraum gibt es nicht. Auf 16 Bänken finden rund 80 Personen Platz, hinzu kommen auf der Empore noch Plätze für bis zu 15 Personen. „Voll ist die Kirche aber nur zu Weihnachten“, sagt der amtierende Kirchengemeinderat Gerhard Stichling, der zur Besichtigung des Gotteshauses dazugestoßen ist.
Die Kirche ist 230 Jahre alt, sie wurde 1793 gebaut. Erstmals erwähnt wird eine Pfarrkirche für Gallenweiler aber schon im 14. Jahrhundert. Sie wurde, wie auch der Rest des Dorfes, von französischen Soldaten 1690 niedergebrannt. Für die Finanzierung der neuen Kirche waren der Markgraf von Baden (Kirchenschiff) und das Domstift Arlesheim (Chor und Turm) verantwortlich. Die niedergebrannte Kirche war wieder aufgebaut worden, mehr schlecht als recht, aber Arlesheim lehnte die Baukosten für einen Neubau ab.
Also entstand die heutige Kirche ohne Chor und zunächst mit einem schlichten Reitertürmle aus Holz mit Blechbeschlag. Dieses wurde erst 70 Jahre später durch den dreistöckigen Backsteinturm mit dem vierseitigen, geknickten Pyramidendach über dem Glockengeschoss und den rundbogigen Klangarkaden nach allen vier Seiten ersetzt. Ursprünglich hatte die Kirche vier rundbogige Fenster, durch die das Licht einfiel, heute sind es doppelt so viele. Die bemalte Holzdecke gab es aber schon damals.
In Gallenweiler leben heute gut 500 Bürger, knapp 200 davon sind Protestanten. Alle zwei Wochen gibt es einen Gottesdienst, an dem im Schnitt ein Dutzend Gemeindemitglieder teilnehmen – was gemessen an der Größe der Kirchengemeinde relativ gut sei, wie der Kirchenälteste Stichling findet. Einen Mesner oder Kirchendiener gebe es nicht: „Ehrenamtliche begleiten die Gottesdienste“, sagt er. Hochfeste wie Ostern oder Himmelfahrt würden draußen gefeiert.
In der Gallenweiler Kirche gibt es ein paar besondere Details, wie die Behange, auch Antependium genannt, an Kanzel und Altar, die Künstlerin Annerose Frenzel aus Neuenburg zur Renovierung ab 1960 gestaltet hat. Auch die gemalte Verzierung um die Kirchenfenster ist ungewöhnlich. Noch eine Besonderheit ist das Altarkreuz, das ein Freiburger Künstler ursprünglich für die Kirche St. Cyriak gefertigt hat und dann als Schenkung nach Gallenweiler gekommen ist. „Das Kreuz steht immer leicht schief“, sagt Helmut Hurst. Das sei Absicht. Das Kreuz sei immer schon Zeichen des Anstoßes gewesen und auch hier sollen sich die Leute daran stören.
Die Kirche wird gerne für Beerdigungen und Trauungen genutzt, sagt Hurst, eben weil sie klein und schnuckelig ist. Auch Ausflügler, vor allem Radfahrer, die durch Gallenweiler fahren, schauen sie sich gerne an. Eine Zeitlang hat sie der Kirchengemeinderat deshalb für interessierte Besucher geöffnet. Inzwischen ist die Kirche aber wieder zu, weil jemand darin übernachtet und sein Geschäft verrichtet habe, sagt der Kirchenälteste Gerhard Stichling: „Das immer zu kontrollieren und sauber zu halten, wäre zu aufwändig.“
Auch das Kirchlein in Gallenweiler steht übrigens auf Stufe rot und wird von der evangelischen Landeskirche nicht mehr bezuschusst. Das sei aber kein Problem, sagt Stichling, das Gebäude sei in einem guten Zustand – und für den Turm habe die Gemeinde ohnehin seit je her selbst aufkommen müssen.