BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN - Brettener Nachrichten, 12.09.2023

 

Kurfürst warf ihn aus der Heidelberger Universität

Monika Eisele

Vortrag beleuchtet Melanchthon-Schüler Zacharis Ursinus als Mitbegründer der reformierten Gegner Martin Luthers

Vor 450 Jahren starb in Neustadt an der Weinstraße ein Mann, dessen Wirken bis ins damals kurpfälzische Bretten reichte. Über den Verfasser des „Heidelberger Katechismus“, Zacharis Ursinus, hat der evangelische Theologe und Schriftsteller Michael Landgraf in einem Vortrag vor rund 20 Zuhörerinnen und Zuhörern im Brettener Melanchthonhaus gesprochen.

Es ist die Zeit der Reformation. Eine Zeit der Wirren, Kriege und Umbrüche. Der Buchdruck war noch nicht ganz 100 Jahre alt und eröffnete bis dahin ungeahnte Möglichkeiten. „Ähnlich wie es heute mit der Digitalisierung geschieht“, verglich Landgraf die Wirkung damals und heute.

Geistliche begehrten gegen die bis dahin unangefochtene römisch-katholische Kirche auf, die es als solche aber noch gar nicht gab. Zu Ursinus Zeiten wurden ihre Anhänger als „Altgläubige“ bezeichnet. Erst auf dem Konzil von Trient zwischen 1545 und 1563 entstand der Katholizismus als Abgrenzung und Reaktion auf die Reformbewegung.

Aber auch die frühen Protestanten war sich durchaus in etlichen Fragen nicht einig. Da gab es natürlich Martin Luther, seine Thesen und Bibelübersetzung und seine Anhänger, die sich mehr oder weniger streng an seine Glaubensgrundsätze hielten. Es gab aber auch Reformierte, vor allem in der Schweiz um Huldrych Zwingli und Johannes Calvin, an dessen Vorbild sich der junge Zacharis Ursinus orientieren sollte.

Während seiner Studienzeit verschlug es Ursinus auf Anraten seines Professors, Philipp Melanchthon, unter anderem in die Schweiz. Der Streit zwischen Lutheranern und Reformierten entzündete sich beim Disput zwischen Luther und Zwingli und der unterschiedlichen Deutung des Abendmahls. Unterschiedliche Meinungen gab es zudem daüber, ob in Kirchen Bilder hängen sollten oder nicht und wie die Dreieinigkeit zu interpretieren sei. Welch zerstrittener Haufen die Protestanten waren, bekam Ursinus zu spüren, als er 1558 zurück nach Breslau kam, wo er 1534 geboren wurde. Dort konnte er nicht unterrichten, weil die Stadt- und Kirchenoberen die reformierten Lehren ablehnten.

1561 berief Kurfürst Friedrich III., der sich für das reformierte Bekenntnis entschieden hatte, Ursinus an die Universität Heidelberg, an der er im Jahr darauf zum Doktor der Theologie promoviert wurde. Im Auftrag des Kurfürsten schrieb er 1563 den „Heidelberger Katechismus“, eine Kirchen- und Schulordnung und die wohl bedeutendste Bekenntnisschrift der reformierten Kirche in Deutschland, die in 40 Sprachen übersetzt wurde.

Als Friedrich starb, verlangte dessen Nachfolger Ludwig VI. von den Theologen und Predigern der Kurpfalz, dem reformierten Bekenntnis abzuschwören und das Luthertum anzuerkennen. Weil Ursinus und andere Gelehrte sich weigerten, mussten sie die Universität Heidelberg verlassen. Am Casimirianum in Neustadt fand er eine neue Lehrstätte und in der dortigen Stiftskirche seine letzte Ruhe. Seine Bedeutung wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass es heute weltweit mehr Reformierte als Lutheraner gibt.

Den Zuhörern wurde ein interessantes Stück Religionsgeschichte geboten, leider sei die Akustik im Saal des Melanchthonhauses schlecht, bedauerte Zuhörerin Hildegard Macke. Sie sei sehr interessiert an Kirchengeschichte und finde es schade, dass sie in der Schule nicht mehr über andere Religionen gelernt hat. Interessiert ist auch ein weiterer Besucher, der das Angebot der Melanchthon-Akademie sehr schätzt: „Sonst gibt es in der Region nichts Vergleichbares.“

Am 21. Oktober veranstaltet die Melanchthon-Akademie eine Exkursion nach Neustadt an der Weinstraße.