Für arme Menschen ist kein Platz da
Julian ZachmannRemchingen. Die Seniorin in der Nöttinger Demenz-Wohngemeinschaft (WG) strahlt übers ganze Gesicht und sagt: „Da bist du ja!“ Mit ihren Mitbewohnern freute sie sich beim Kaffeekränzchen über den Besuch des baden-württembergischen Ministers für Soziales, Gesundheit und Integration, Manfred Lucha (Grüne). Er macht bei seiner Sommertour an diesem Donnerstagnachmittag Halt bei der Diakoniestation Remchingen.
Während es sein Lieblings-Oberligaverein FV Ravensburg in der kommenden Woche nicht ganz leicht haben könnte beim Spiel gegen den FC Nöttingen, schließen ihn die heiteren Senioren schnell ins Herz. Und auch der Minister freute sich so über die heitere Partizipation in der 2018 fertiggestellten WG, dass er sich trotz des straffen Zeitplans noch „Die Gedanken sind frei“ an der Veeh-Harfe wünscht und ebenso wie die Landtagsabgeordnete Stephanie Seemann (Grüne), Enzkreis-Sozialdezernentin Katja Kreeb und die designierte Remchinger Bürgermeisterin Julia Wieland (parteilos) fröhlich einstimmt.
Doch nicht nur dazu sei die dreiwöchige Sommertour, die „schönste Zeit des Jahres“, so der Sozialminister, da: Im Gespräch mit dem ehrenamtlichen Remchinger Diakonie-Vorsitzenden Karl-Heinz Stengel blickt Lucha auch auf Herausforderungen und Aufgabenstellungen an die Politik. Dank vieler Ehrenamtlicher kann die Remchinger Diakonie über die 586 betreuten Patienten in der Kranken- und Altenpflege hinaus mittlerweile drei Kleiderstuben, einen Tafelladen und regelmäßige Nachmittagsaktivitäten anbieten. Aufgrund der hohen Nachfrage läuft der Bau zwei weiterer Wohngemeinschaften in Wilferdingen, wo ab kommendem Jahr unterstützungsbedürftige ältere Menschen mit einer Behinderung unter einem Dach leben werden. Den zukunftsweisenden Umbau fördert das Land mit 625.000 Euro, wofür sich Stengel einmal mehr bedankt. „Unser kirchlich-diakonischer Auftrag ist es, für alle Menschen da zu sein“, bringt Stengel die Motivation und gleichzeitig eine zentrale Herausforderung und Gesetzeslücke auf den Punkt: Obwohl die Kosten für die Bewohner vergleichbar mit denen des Altenheims sind, können sich arme Menschen einen WG-Platz nicht leisten, da die 24-Stunden-Betreuung in Wohngemeinschaften zu teuer ist. Auch für Sozialhilfeempfänger wird der Pauschalzuschuss per se nicht gewährt. „Wir geben alles, aber sind noch nicht so weit, dass wir Entwarnung geben könnten“, versichert der Sozialminister, dass sich Baden-Württemberg für eine Lösung auf Bundesebene einsetze. „Ohne gesetzliche Änderung der bundesrechtlichen Vorgaben können wir das nicht ändern. Leider sind die Bretter für die Geschwindigkeit, die wir benötigen, im Moment zu dick.“ Lucha zeigt sich dankbar für die offen angesprochenen Probleme, aber auch für das vielfältige Engagement der Station: „Es gibt zu allem eine Alternative – nur nicht zur vielfältigen Gesellschaft. Das zeigen Sie mit Ihrem Tun.“ Katja Kreeb unterstreicht die bundesrechtliche Problematik, bei der auch der Landkreis keinen Ermessensspielraum habe. Gleichzeitig verweist sie auf hohe Vorgaben gerade beim Betrieb von Wohngemeinschaften, die es durchdacht abzusenken gelte in Zeiten von starkem Personalmangel und überall fehlenden Pflegeplätzen.
Im Anschluss geht es für Minister Lucha weiter zum Pforzheimer Siloah St. Trudpert-Klinikum, das für die Krankenpflegeschule ebenso wie für ein innovatives KI-Netzwerk zur Prostata-Früherkennung einen Landeszuschuss erhielt. „Wer durch Pforzheim durchkommt, kommt überall durch“, stellt der Sozialminister nicht nur mit Blick auf den Verkehr fest – sondern auch, um Julia Wieland nach ihrem Amt als Huchenfelder Ortsvorsteherin alles Gute für ihre neue Aufgabe in Remchingen mit auf den Weg zu geben. Erst am Montag sei er zum Antrittsbesuch bei Wielands Vorgänger Luca Wilhelm Prayon (CDU) gewesen. Prayon ist als Landrat auch für drei Gemeinden in Luchas Wahlkreis zuständig.
![]() |