„Brettener Modell“ ist Blaupause für andere
Catrin DederichsQualifizierte Ruheständler engagieren sich bei der Diakonie in der Sozial- und Schuldnerberatung
Das Diakonische Werk in Bretten wird zur Blaupause für andere Einrichtungen der Diakonie. Die Brettener Dienststelle setzt qualifizierte Ruheständler als Ehrenamtliche in der Beratung ein. Das Ganze nennt sich das „Brettener Modell“.
Dienststellenleiter Achim Lechner spricht von einem „kolossalen Erfolg auf verschiedenen Ebenen“. Genau deshalb ziehen andere Einrichtungen jetzt nach. „Sie schauen sich das bei uns ab, und das ist auch so gewollt“, sagt Lechner. „Deshalb arbeiten wir ja zusammen.“
Seit 2020 beraten vier ehrenamtliche Ruheständler Menschen, die in der Schuldenfalle stecken. Inzwischen sind drei weitere Freiwillige in der Sozialberatung im Einsatz. Die Ehrenamtlichen füllen etwa Formulare aus, sprechen mit Behörden oder sorgen dafür, dass die Menschen krankenversichert sind. Ehemalige Schulleiter sind ebenso unter den Helfern vertreten wie frühere Verwaltungsmitarbeiter oder Finanzbeamte.
„Die Ehrenamtlichen sind zu uns gekommen, weil sie Aufgaben gesucht haben“, erzählt Achim Lechner. Sein Haus habe dann geschaut, was sich die Freiwilligen vorstellen und welches Wissen sie mitbringen. „Da haben wir gemerkt, das würde doch gut zur Beratung passen.“
Einer der neu gewonnenen Ehrenamtler ist Wolfgang Pfahler. Früher arbeitete er bei einer Behörde, das hilft ihm heute in der Sozialberatung. „Ich habe bewusst nach einer Aufgabe gesucht, die den Kopf herausfordert und anspruchsvoll ist“, sagt er. Bei der Brettener Diakonie habe er sie gefunden.
Seit rund drei Jahren unterstützt er dort Ratsuchende. Er spricht mit den Behörden, hilft beim Ausfüllen von Anträgen und übernimmt telefonische Rückfragen. „Dienstag ist mein Diakonie-Tag“, sagt er.
Birgit Klepper bringt sich als Schuldnerberaterin bei der Brettener Diakonie ein. Die frühere Schulleiterin ist also in Kontakt mit den Ämtern. Ferner erklärt sie den Betroffenen, was Sache ist, sucht nach Kompromissen und zeigt den Ratsuchenden Lösungswege auf. Und ganz wichtig: Birgit Klepper füllt seitenweise Formulare aus. Bei all diesen Aufgaben, sagt sie, profitiert sie von ihren beruflichen Kompetenzen.
Als ehemaliger Finanzbeamter erlebt es Ulrich Beck genauso. Zusätzlich hat er sich noch fortgebildet, außerdem arbeitet er eng mit den Hauptamtlichen zusammen. Dadurch habe er sich schnell eingefunden, sagt er. „Einen halben Tag pro Woche nehme ich mir gerne Zeit. Denn die Arbeit und der Austausch im Team machen wirklich Spaß.“
Und so soll es auch sein. Achim Lechner sagt, die Zusammenarbeit sei für alle ein Gewinn. Für Hilfesuchende, Ehrenamtliche und Hauptamtliche gleichermaßen. Die Ehrenamtlichen schätzten die abwechslungsreiche und herausfordernde Arbeit mit den Menschen. Und die Hauptamtlichen würden so wichtigen Freiraum gewinnen. Diese Zeit nutzen sie, um Hilfesuchende gezielt zu unterstützen. Das wiederum erhöhe die Zufriedenheit und mache den Beruf attraktiv.
„Die Ehrenamtlichen ersetzen also keine hauptamtlichen Mitarbeiter. Vielmehr schaffen sie über ihre hohe Kompetenz ein zusätzliches und ergänzendes Angebot“, sagt Achim Lechner. Ein Angebot, das die Diakonie sonst nicht leisten könnte.
Für die Sozial- und Schuldnerberatung werden derzeit 23 Wochenstunden finanziert. Diese Zahl nennt Jörn Schulze, zuständig für die Sozial- und Schuldnerberatung der Dienststelle Bretten. „Der Bedarf ist jedoch deutlich höher. Immer mehr Menschen brauchen Unterstützung und nicht selten eine Kombination aus unterschiedlichen Hilfeleistungen“, sagt er. Durch den Einsatz der Ehrenamtlichen erhöhe sich die Beratungszeit um zwölf Stunden in der Woche.
Viele Menschen in Not wüssten nicht, welche Hilfen ihnen zustehen, sagt Schulze. Und sie wüssten nicht, wie sie die Hilfe bekommen. „Wir informieren, beraten und unterstützen diese Menschen.“ Es gehe dabei um die Existenzsicherung von Familien und die soziale Teilhabe ihrer Kinder.
Vom Brettener Modell zeigt sich Dienststellenleiter Achim Lechner überzeugt. Er spricht von ungeahnten Möglichkeiten. Insbesondere, weil in den kommenden Jahren mit den sogenannten Boomern eine Generation an gut ausgebildeten und relativ fitten Menschen in den Ruhestand gehe. „Vor diesem Hintergrund ist das Potenzial unseres Modells enorm“, sagt er. Es könne zukunftsweisend für die örtlichen Diakonischen Werke, ja für die Wohlfahrtspflege insgesamt sein.
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