Offenburger Tageblatt - Schwarzwald-Zeitung, 01.08.2023

 

Auf die Pflicht folgt die Kür

Schuldekan Hans-Georg Dietrich entließ den Hausacher Pfarrer Hans-Michael Uhl im Rahmen der „Stillen Zeit“ im Freilichtmuseum Vogtsbauernhof aus dem Kirchen- und Schuldienst. VON CLAUDIA RAMSTEINER

Gutach/Hausach. Das Glöckle der Hippenseppenhof-Kapelle bimmelt, auf dem alten Holztisch vor der Kapelle steht ein großer Feldblumenstrauß und ein schlichtes Kreuz aus zwei Ästen. Davor sitzen an diesem Sonntag wesentlich mehr Museumsgäste als sonst zur „Stillen Zeit“ mit Hans-Michael Uhl. Und das hat seinen Grund: das Motto „Hoch-Zeit“ für diesen letzten Julisonntag ist auch eine „Hoch-Zeit“ für den Museumspfarrer selbst. In dieser Feierstunde nimmt er offiziell Abschied nach 21 Jahren Schuldienst im Kinzigtal und insgesamt 41 Jahren Kirchendienst.

Mit einem lebhaften Sonatine eröffnet das Ensemble „Holz-Art“ die Feierstunde, die auch davon profitiert, dass dieser Tag im Freilichtmuseum der Musik gewidmet war. Auch Liedermacher Wolfgang Gerbig aus Staufen ist geblieben und bereichert die Feierstunde um ein Friedenslied über die Fahrt „im Zug nach Friedensstadt, die noch so weit weg ist“.

Hans-Michael Uhl knüpft daran an. Das Jahr sei auf dem Höhepunkt, man genieße die üppige Ernte, aber auch in anderer Hinsicht herrsche eine „Hoch-Zeit“: Kaum je hätten die Menschen so zerstörerisch gewütet, sei die menschliche Vernunft so weit weg. „Es geht nicht darum, dass wir uns nicht erfreuen dürfen, es geht darum, Genuss und Gerechtigkeit zu verbinden, dann ist Hoch-Zeit“, so Uhl: „Noch nie war so viel Himmelreich und Elend zugleich.“ Es sei höchste Zeit, reif zu werden und die Augen zu öffnen: „Gott gibt im Übermaß, es ist an uns, es zu teilen“.

Ursula Kumpf trägt den Psalm zum Tag vor und begleitet auch das gemeinsam gesungene Lied auf der Gitarre. Damit schließt sich ein Kreis. Hans-Michael Uhl verrät, dass er Ursula und Herbert Kumpf, auf dessen Stelle als Religionspfarrer er sich vor 21 Jahren beworben hat, bereits seit Beginn seiner kirchlichen Laufbahn als Vikar in Wertheim kennt.

„Die reguläre Spielzeit ist vorbei“, sagt Schuldekan Hans-Georg Dietrich und spielt auf das WM-Spiel am gleichen Tag an. Denn die Kolumbianerinnen hätten bewiesen, dass „man auch in der Nachspielzeit noch ein Tor schießen kann“. Er hat Hans-Michael Uhl eine Schiefertafel mitgebracht und zeichnet darauf eine Linie: „Wer eine Linie zieht, erschafft eine Welt, ein Oben und Unten“ bescheinigte er Uhl, dass er in seiner Zeit im Kirchen- und im Schuldienst viele Linien gezogen und neue Welten geschaffen habe. Zum Schluss schreibt er ein „Dankeschön“ auf die Tafel für seine Arbeit, sein Engagement und seine Kreativität und wünscht, er möge noch ein Nachspiel drauflegen.

„Die Pflicht ist vorbei, jetzt kommt die Kür“, hat Hans-Michael Uhl bereits zu Beginn der Feier kund gegeben, dass er gern eine Zugabe gibt, solange das Publikum das wünscht. So wird er Museumspfarrer bleiben, noch einige Stunden Religionsunterricht geben, und auch die Kirchengemeinderäte der Gemeinden Hausach und Gutach verabschiedeten sich, in der Hoffnung er möge sie noch mit vielen besonderen Gottesdiensten beglücken. Ganz offensichtlich wünscht das Publikum eine Zugabe.