Acher-Rench-Zeitung, 01.08.2023

 

Bezahlbares Wohnen gesucht

Schwerpunkt-Serie zur OB-Wahl (6): Die sozialen Angebote in Achern werden angenommen und reichen nicht immer aus. Der Tafelladen ist an seine Grenzen gekommen. VON MICHAELA GABRIEL

Achern. Wie sozial ist die Hornisgrindestadt? Achern hat ein breites Beratungs- und Hilfeangebot. Die meisten Angebote machen die Kirchengemeinden, die Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie, private Dienstleister und Vereine. Sie berichten teilweise über Nöte, die sie nicht lindern können.

In Achern sitzt die Kirchliche Sozialstation Bernhard von Baden, ein großer Anbieter ambulanter Pf legedienstleistungen mit hunderten Hausbesuchen täglich. Darüber hinaus gibt es weitere ambulante Pf legedienste. Achern hat zwei Pf legeheime für die stationäre Pflege: das Altenpf legeheim St. Franziskus beim Klinikum und die Seniorenpf legeeinrichtung Villa Antika in der Martinstraße. Es gibt verschiedene Angebote für Betreutes Wohnen und verschiedene Anbieter von Tagespf legeplätzen. Der Pflegestützpunkt des Ortenaukreises, eine Anlaufstelle für kostenlose und unabhängige Beratung rund um das Thema Pflege, hat für Achern, das Acher- und das Renchtal eine Außenstelle im Rathaus in der Illenau.

Robert Sauer, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes Acher-Renchtal, kann für ein Pflegeheim in Obersasbach und die Tagespf lege in Achern sprechen, die sein Verband betreibt. „Täglich erreichen uns verzweifelte Anfragen nach stationären Pflegeplätzen.“ Der Bedarf wachse, aber der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte sei leergefegt. Die Situation werde sich möglicherweise noch verschärfen. Bei der Tagespf lege und dem Betreuten Wohnen entspreche das Angebot in Achern aus seiner Sicht dem Bedarf: „Es gibt auch mal freie Plätze.“

Der Caritasverband Acher-Renchtal betreibt auch den Tafelladen in der Rosenstraße.

„Die Ladenf läche reicht für den Verkauf“, sagt er. Da die Lebensmittelspenden in letzter Zeit zurückgegangen seien, könnten ohnehin keine zusätzlichen Kunden bedient werden. Das wäre jedoch erforderlich, weil die Not vieler Menschen in den letzten eineinhalb Jahren größer geworden sei: „Wir sehen, dass wir in diesem Punkt mit dem Tafelladen an unsere Grenzen kommen.“

Die Stadt Achern hat den Caritasverband mit dem Sozialdienst in ihren Obdachlosenunterkünften beauftragt. „Die Zusammenarbeit funktioniert gut und reibungslos“, so Robert Sauer. Weil Obdachlose konsequent in geeignete Unterkünfte eingewiesen würden, werde deren Notlage kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Jedoch hätten sie es auf dem „sehr engen Wohnungsmarkt“ äußerst schwer: „Denn es fehlt an bezahlbarem Wohnraum.“ Falls eine bezahlbare Wohnung ausgeschrieben werde, erhielten obdachlose Menschen meist nicht den Zuschlag.

Ohne Wohnraum verlängere sich die Aufenthaltsdauer in den Unterkünften. Viele empfinden ihre Situation dann zunehmend als ausweglos. Es komme zum Verlust des Arbeitsplatzes, psychischen Problemen, Substanzmissbrauch und sozialen Rückzug: „Einige langjährige Bewohner der Obdachlosenunterkünfte haben nur noch innerhalb der Unterkunft Kontakt zu anderen Menschen.“ Geeignete Angebote zur Strukturierung des Wochenoder des Tagesrhythmus, etwa in Form einer Tagesstätte für diesen Personenkreis, wären hilfreich, so Sauer. Und natürlich ein größeres Angebot an bezahlbarem Wohnraum.

Die prekäre Wohnraumsituation sei ein Dauerthema, mit dem die Dienststelle Achern des Diakonischen Werks im evangelischen Kirchenbezirk Ortenau fast täglich in der Sozialberatung konfrontiert werde, sagt die Dienststellenleiterin Gabriele Gröger: „Wenn sich Familien vergrößern, gibt es kaum Aussicht auf größere Wohnungen. Viel schlimmer noch trifft es zugewanderte Menschen, die über viele Jahre in Gemeinschaftsunterkünften leben und keine Aussicht auf sozialen Wohnraum haben. Kinder wachsen dadurch in einer Umgebung auf, die ihrem Entwicklungsprozess nicht förderlich ist.“ Es gebe keine Anreize von der Stadt für private Vermieter, vorhandenen Wohnraum an Wohnungssuchende zu vermieten: „Achern könnte sich da an anderen Städten orientieren und eigene Modelle entwickeln.“

Die Zusammenarbeit der Netzwerkpartner der sozialen Arbeit sei in Achern deutlich besser als in vielen größeren Städten, so Gabriele Gröger: „In der Regel kennt man die Verantwortlichen und Absprachen können auf kurzem Weg getroffen werde. Es gebe viele engagierte Ehrenamtliche, die das Hauptamt unterstützen. Der Verein Achern Miteinander sei da ganz besonders hervorzuheben. Auch für alle Angebote des Vereins Illenau Werkstätten sei sie dankbar. Trotzdem: „Soziale Teilhabe ist ein Thema, das uns in den Netzwerken seit Jahren beschäftigt.“

Als „Ort der Kreativität und Begegnung“ sehen sich die Illenau Werkstätten. Sie bieten Kurse, Projekte und Veranstaltungen, Räume für selbstorganisierte Gruppen, künstlerische, handwerkliche und technische Angebote. „Der soziale Aspekt zieht sich bei uns durch alle Angebote“, erklärt Vereinsvorsitzender Klaus Pflüger. Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Hintergründe kämen zusammen. Wo es für den Verein möglich sei, versuche er, kostenfreie oder kostengünstige Angebote zu machen: „Wir wünschen uns eine weiterhin gute Kooperation mit der Stadt und dem Gemeinderat und die Stärkung der ehrenamtlichen Arbeit durch die Weiterführung der finanziellen Unterstützung.“ Auch Begleitung bei der Gewinnung von Nachwuchs werde man in Zukunft brauchen.

Achern Miteinander betreibt ausschließlich mit ehrenamtlichen Mitarbeitern und ohne Zuschüsse der Stadt Achern eine Art Sozialkaufhaus in der Kronengasse 12. Dort gibt es ein kleines Café, eine Fahrradwerkstatt, gebrauchte Kleidung, Spielsachen und Haushaltswaren für kleines Geld. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle Menschen einer Stadt sei ein „wichtiger Garant für den sozialen Frieden“, ist die Vorsitzende des Vereins Achern Miteinander überzeugt. In Achern gebe es statistisch betrachtet rund 5000 Menschen, die so wenig Geld hätten, dass ihre „Teilhabe am öffentlichen Leben stark eingeschränkt ist.“ Sie fänden nur schwer Zugang zu den bestehenden Angeboten. Auch wer schlechte Deutschkenntnisse oder einen anderen kulturellen Hintergrund habe, nutze vorhandene Möglichkeiten eher nicht.