fn web (Fränkische Nachrichten), 30.05.2023

 

Fränkische Nachrichten Plus-Artikel „Leben in die Hütte Gottes bringen“

Michaelssaal des Gemeinschaftszentrums mit ökumenischem Festgottesdienst auf dem Wartberg nach Sanierung eingeweiht. Kirchen steuern 1,8 Millionen Euro bei

Wartberg. Mit einem ökumenischen Festgottesdienst wurde am Pfingstmontag der Michaelssaal im neuen Gemeinschaftszentrum eingeweiht.

Pfingsten gilt als der Geburtstag der Kirche. In hatte die evangelische Gemeinde zu einem besonderen Festgottesdienst eingeladen. In diesem Jahr feiert die Kirche mit der Einweihung des Michaelssaals eine Art „Wiedergeburt“ auf dem Wartberg. Alexandra von Lindern, Vorsitzende des Ältestenkreises, hieß in ihrer Begrüßungsansprache die knapp 200 Anwesenden herzlich willkommen. Architekt Michael Bannwarth erkannte augenzwinkernd: „130 Prozent Auslastung“.

Das ökumenische Kirchenzentrum Wartberg stammt aus dem Jahr 1976. Seit 2017 hatten es die Stadt Wertheim und die Evangelische Kirche in einem großen Kraftakt zum jetzigen Gemeinschaftszentrum umgebaut. Die Federführung über die Sanierung lag bei der Stadt, die sich mit kirchlichen Trägern die Kosten teilte. Etwa 600 000 Euro steuerte die katholische Kirche bei, die als Mieterin auch die Hälfte der Nebenkosten stemmt. Rund 1,2 Millionen Euro kamen von der evangelischen Kirche, die Teileigentümerin des Gemeinschaftszentrums ist.

Nach dem Ende der Sanierung befinden sich unter dessen Dach jetzt ein Mehrzweckraum für die Ganztagsgruppe der Otfried-Preußler-Schule und eine Gruppe der evangelischen Kindertagesstätte.

Rainer Lotz ist Vorstandsmitglied im Verein „Willkommen in Wertheim“. Am Rande des Gottesdienstes zeigt er sich zufrieden: „Auch wir freuen uns, dass wir hier wieder Räume für unsere Arbeit mit Geflüchteten haben.“ Hinzu kommen Beratungsräume des Familienzentrums, eine gemeinschaftlich nutzbare Bibliothek sowie natürlich das kirchliche Herzstück der „Neuen Sozialen Mitte“, der Michaelssaal.

Zukunft Ökumene

In der Vergangenheit hatten Protestanten und Katholiken im Kirchenzentrum jeweils ihre eigenen Kirchenräume. Nicht zuletzt aufgrund rückläufiger Mitgliederzahlen rücken die Konfessionen künftig noch näher zusammen. Für Wertheim ist dies nichts Neues, denn selbst die Stiftskirche diente vom 17. Jahrhundert bis 1848 beiden Konfessionen als Simultankirche.

Auch im Michaelssaal sollen bald abwechselnd katholische, evangelische und ökumenische Gottesdienste stattfinden. Und so verwandelten der ökumenische Chor „Magnifikat“und das „Chörle Grünenwört“ vielleicht noch Trennendes im Michaelssaal in ein gemeinschaftliches Legato. Der Organist Carsten Wiedemann-Hohl beging an diesem Tag als Bezirkskantor auch ein persönliches Jubiläum. Am Pfingstmontag vor einem Jahr hatte er sein Amt in Wertheim übernommen.

Pfarrer Uwe Sulger, Diakonin Elvira Ungefucht und Pfarrerin Sophia Weber gestalteten den Gottesdienst gemeinsam mit vielen Ehrenamtlichen. Den Schlusssegen spendeten Diakonin Ungefucht und der katholische Pfarrer Jürgen Banschbach gemeinsam.

Das Pfingstfest ist als Geburtstag der Kirche ein guter Anlass, in neue Kirchenräume einzuladen. Die biblische Apostelgeschichte erzählt, wie die Anhänger des gekreuzigten Jesus von Nazareth gemeinsam das jüdische Wochenfest (Schawuot) feiern. Dabei kam das Brausen Gottes vom Himmel und sie konnten auf einmal in allen Sprachen predigen. Sicher kein schlechtes Vorzeichen für Gemeinde auf dem multikulturellen Wartberg. An Schawuot feiern bis heute Jüdinnen und Juden, wie seinerzeit die Jünger Jesu, den Empfang der Zehn Gebote. Die Kirche verbindet mit Pfingsten weniger die göttlichen Gebote als vielmehr das Wirken des göttlichen Geistes.

Blick in die Zukunft

Dekanin Wibke Klomp griff das in ihrer Predigt auf: „Haltet euch nicht fest an dem, was ihr so sicher glaubt, sondern wagt mit mir den Blick in die Zukunft. Alles ist hier offen und wir können Neues ausprobieren.“ Klomp erinnerte auch an die Bauzeit, in die die Pandemie, ein kirchlicher Baustopp, der russische Überfall auf die Ukraine und die Inflation fielen. Nun gehe es darum, die „Neue soziale Mitte“ auf dem Wartberg zu erobern und zu gestalten. Die Dekanin lud zum Umdenken ein: „Wir sollten los kommen vom Denken in Pfarrgemeinden, loslassen, dass das hier mal ein Kirchenzentrum war, und einfach Leben in die Hütte Gottes bei den Menschen bringen!“

Aus der Michaelskirche auf dem Reinhardshof konnten Altar, Ambo und Tauftisch in den Michaelssaal übernommen werden. Aber die Ikone des Heiligen Erzengels Michael hingegen ließ sich beim letzten Gottesdienst in der kleinen Kirche nicht von der Wand nehmen.