Letztmals Gottesdienst in Michaelskirche gefeiert
Evangelische Gemeinde: Taufbecken, Kerzen und Bibel feierlich aus dem Gotteshaus getragen
Von Jens-Eberhard Jahn
Reinhardshof. Die Michaelskirche auf dem Reinhardshof wurde am Sonntag entwidmet. Knapp 40 Gemeindemitglieder feierten dort den letzten Gottesdienst.
Das Gotteshaus war nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden und dienet Angehörigen der US-amerikanischen Streitkräfte. Seit Beginn der 1990er Jahre nutzten evangelische Christinnen und Christen das Gotteshaus. Alle 14 Tage fanden hier Gottesdienste statt, an den anderen Tagen im Gemeindezentrum auf dem Wartberg. Nach dessen Renovierung und Umbau soll künftig dort die kirchliche Arbeit stattfinden, nicht mehr in der Michaelskirche.
Noch ist nicht sicher, wie das bisherige Gotteshaus dann genutzt wird. Dekanin Wibke Klomp erklärte im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten: „Noch sind wir in Verhandlungen. Es zeichnet sich jedoch ab, dass das Gebäudeensemble von einer christlichen Einrichtung übernommen werden kann.“
Insgesamt verlieren die Kirchen in der heutigen Zeit Mitglieder und müssen sich aus finanziellen Gründen von Gebäuden trennen. Im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Baden zwischen Main und Bodensee lebten 2021 etwas mehr als eine Million Christinnen und Christen. Vor 20 Jahren waren es noch 300 000 mehr. Um Wertheim macht diese Entwicklung keinen Bogen.
Die Kirchenälteste Gabriele Ganger erinnert sich: „Seit das Gemeindezentrum geschlossen ist, ist die Michaelskirche Heimat für mich. Hier habe ich geheiratet. Das Gemeindezentrum wird ein Wohnzimmer sein, dies hier ist eine Kirche.“
Neue Chancen
Ältestenratsvorsitzende Alexandra von Lindern sieht den Umzug verhalten optimistisch: „Ich bin im Gemeindezentrum groß geworden und war sehr traurig, als wir das 2019 schließen mussten. Jetzt kehren wir dorthin zurück. Dort ist dann auch der Kindergarten. Das eröffnet neue Chancen.“
Eine weitere Chance könnte in ökumenischer und interkultureller Zusammenarbeit liegen. Ein Gemeindemitglied erinnert daran, dass auf dem Wartberg Menschen aus etwa 50 Nationen leben: „Sicher könnten viele ihre Kultur und religiöse Traditionen in ein weltoffenes Gemeindezentrum einbringen.“
In ihrer Predigt im letzten Gottesdienst in der Michaelskirche ging Diakonin Elvira Ungefucht darauf ein, dass dieser Abschied mit viel Schmerz und Trauer verbunden sei. Sie erinnerte an Erzählungen aus der Bibel, in denen Menschen Vertrautes hinter sich lassen mussten. Allerdings gab sich die Diakonin überzeugt: „Heute ist kein Ende, sondern der Beginn von etwas Neuem, in das Gottes Geist uns begleitet. Meine größte Hoffnung ist, dass uns auch in den neuen Räumen lebendige Familienarbeit mit allen Generationen gelingt“. Ebenfalls hoffnungsvoll sprach die ganze Gemeinde den Psalm 84: „Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth“ und sang das Kirchenlied „Vertraut den neuen Wegen“.
Pfarrer Uwe Sulger feierte mit der Gemeinde das Abendmahl. Anschließend wurden das Taufbecken, die Kerzen und die Bibel feierlich aus der Kirche getragen. Nur die Ikone des Heiligen Michael zeigte sich beharrlich und ließ sich nicht von der Wand hängen. Offensichtlich muss hier noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Pfarrer Sulger nahm das gelassen: „Dann kommt sie ein anderes Mal mit.“ Im Michaelssaal des Gemeindezentrums sollen die vertrauten Gegenstände weiter verwendet werden.
Am Pfingstmontag um 10.30 Uhr wird das umgebaute Gemeindezentrum am Salon-de-Provence-Ring mit einem Festgottesdienst eingeweiht.