Dankesschreiben an Missbrauchstäter
Der Missbrauchsbericht für das Erzbistum Freiburg legt offen, wie der frühere Erzbischof Zollitsch Missbrauchstätern zu feierlichen Anlässen überschwänglich gratulierte. Selbst dann, wenn die Priester rechtskräftig verurteilt waren.
Ein Umstand, der bei der Präsentation des Missbrauchsberichts am Dienstag Menschen besonders fassungslos machte und in seiner moralischen Fallhöhe weit über die Vertuschungen hinausgeht, ist der Umgang der Erzbischöfe Robert Zollitsch und Oskar Saier mit des Missbrauchs beschuldigten und auch verurteilten Priestern – so, als wäre nichts gewesen.
Usus war es, dass der Erzbischof Priestern in seinem Bistum zu feierlichen Anlässen, etwa zu runden Geburtstagen oder Priesterjubiläen, ein Dankes- und Gratulationsschreiben schickt – je nach Bedeutung des Anlasses gern auch etwas ausführlicher. Dass Saier und Zollitsch dies jedoch bei Missbrauchstätern laut Abschlussbericht der unabhängigen Arbeitsgruppe (AG) „Machtstrukturen und Aktenanalyse“ genauso praktizierten – und zwar ohne jedes kritische Wort –, dürfte auf Opfer und deren Angehörige besonders deplatziert, empathielos und zynisch wirken.
In ihrem 582 Seiten umfassenden Abschlussbericht widmen die Autoren, der pensionierte Richter Eugen Endress und der pensionierte Oberstaatsanwalt Edgar Villwock, diesen „Gratulationsschreiben“ ein eigenes kurzes Unterkapitel, da so „das Gesamtbild über den Umgang und die Haltung zu einem priesterlichen Missbrauchsverhalten besonders eindrucksvoll“ abgerundet werde.
Bizarr mutet an, dass Erzbischof Zollitsch dieser rein positiven Gratulationspraxis nicht nur in Fällen folgte, in denen das Ordinariat die Missbrauchsvorwürfe für wahrscheinlich und glaubhaft hielt, sondern „sogar dann, wenn der Priester durch das staatliche Gericht rechtskräftig schuldig gesprochen und zu einer Strafe (...) verurteilt worden war“, wie es in dem AG-Bericht heißt. „Selbst bei einem Vorverhalten, das dem Ordinariat in manchen Fällen auch langjährige ‚Probleme‘ bereitet hatte, fand sich keine auch nur ansatzweise (...) kritische Anmerkung. ‚Höhepunkt‘ war in einem solchen Schreiben, wenn sogar auf die positive Jugendarbeit (!) rekurriert wurde.“
Zwei Beispiele nannte Endress in der Pressekonferenz am Dienstag: Im ersten Fall habe Erzbischof Zollitsch einem wegen vielfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilten Priester warme Worte zu dessen Priesterjubiläum verfasst. Dabei seien die Hintergründe, vor denen sich dieser Geistliche Zugang zu seinen Opfern verschafft habe, „furchtbar abscheulich“ gewesen, sagte Endress. Gleichwohl schrieb Zollitsch dem verurteilten Kleriker: „Sie haben sich vom Herrn rufen lassen und durften erfahren, wie segensreich Ihr Wirken als Priester wurde. Mit Ihnen danke ich dem Herrn für das, was er durch Sie bewirkt hat.“
Im zweiten Fall soll Zollitsch einen Priester anlässlich der Versetzung in den Ruhestand gewürdigt haben. Der Mann war zu diesem Zeitpunkt wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs an Ministranten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ihn lobte Zollitsch: „Ihr gutes Geschick im Umgang mit Kindern und Jugendlichen kam der Jugendarbeit, insbesondere der Ministrantenarbeit, zugute.“
Auch im Fall J des Abschlussberichts während des Episkopats von Oskar Saier erhielt laut AG ein Pfarrer zu seiner Versetzung in den Ruhestand, die mit einem Umzug in eine andere Gemeinde verbunden war, ein solches Schreiben. Es befand sich laut AG-Bericht in der Stellenbesetzungsakte des Ordinariats für die Gemeinde „und weist den Sichtvermerk des Personalreferenten Dr. Zollitsch als Paraphe aus“.