Gutachter empfehlen neue Regeln
Die Arbeitsgruppe „Machtstrukturen und Aktenanalyse“ hat Führungsversagen und Vertuschung bei sexuellem Missbrauch im Erzbistum Freiburg aufgedeckt. Zudem gibt sie Empfehlungen, wie dies künftig verhindert werden kann.
Auf acht Seiten am Ende des Freiburger Missbrauchsberichts, den die Juristen Eugen Endress und Edgar Villwock gemeinsam mit zwei Kriminalbeamten erarbeitet haben, präsentiert die Arbeitsgruppe „Machtstrukturen und Aktenanalyse“ (AG) ihre „abschließenden Empfehlungen“ an die Führungsverantwortlichen im Erzbistum. Einige davon seien „lediglich Selbstverständlichkeiten“, die allerdings lange Zeit im Ordinariat ungenügend beachtet wurden, wie Endress und Villwock schreiben. Dazu gehöre eine einheitliche und saubere Aktenführung, die Protokollierung von Gesprächen sowie die unverzügliche Verschriftung aller Entscheidungen. Beim Umgang mit beschuldigten Priestern habe das Ordinariat strenger als bisher auf die Einhaltung der eigenen Richtlinien zu achten und die Zusammenarbeit mit den externen Missbrauchsbeauftragten klar zu regeln und schriftlich zu fixieren. So sei es etwa Aufgabe des Erzbischofs oder eines Vertreters, Beschuldigte anzuhören und das Gehörte zu bewerten – nicht die der externen Missbrauchsbeauftragten.
Zudem empfehlen Endress und Villwock den mit Missbrauchsfällen befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Fortbildungen im Kirchenrecht sowie in Vernehmungs- und Glaubhaftigkeitspsychologie. In Fällen staatlicher Ermittlungsverfahren gegen Priester solle das Ordinariat die entsprechenden Akten anfordern und auswerten. Wird ein psychologischer oder psychiatrischer Sachverständiger gebraucht, sei es ratsam, unterschiedliche Gutachter zu beauftragen. „Hierdurch wird die gebotene professionelle Distanz zum Ordinariat und Neutralität gegenüber dem Ordinariat begünstigt“, heißt es im Bericht.
Weitere der Empfehlungen zielen darauf, Missbrauchsbetroffene stärker in den Blick zu nehmen. Dazu gehört der Vorschlag an das Ordinariat, auf die Pfarrgemeinden, in denen sich Missbrauch ereignet hat, zuzugehen, die aktuellen Erkenntnisse dazulegen und sich zum Fehlverhalten der Verantwortlichen zu bekennen. Betroffene sollten kontaktiert und über die in ihrem Fall getroffenen Entscheidungen unterrichtet werden – auch um Gerüchten entgegenzuwirken. Um Sanktionen gegen Kleriker engmaschig überwachen zu können, müssten deren Vorgesetzte unterrichtet und einbezogen werden.
Ein weiterer Vorschlag richtet sich an die Deutsche Bischofskonferenz und lautet, dem französischen Beispiel zu folgen und endlich ein zentrales Gericht für kirchliche Strafsachen zu errichten. Als letzten Punkt empfiehlt die AG einen Kulturwandel innerhalb des Ordinariats: Alle Führungskräfte seien aufgefordert, die Tätigkeit des Erzbischofs in Missbrauchsfragen kritisch zu begleiten und konstruktive Vorschläge zu machen. Der Erzbischof sei aufgerufen, dem unvoreingenommen zu begegnen und die Hinweise in seine Entscheidungen einzubeziehen.
Erzbischof Stephan Burger dankte am Dienstag nach Vorstellung des Berichts für die Empfehlungen. „Wir werden aus den Fehlern der Vergangenheit lernen“, sagte er und versprach, strukturelle Schwachstellen zu beseitigen und Kontrollmechanismen zu schaffen. „Ich brauche den Austausch und will keine einsamen Entscheidungen treffen“, sagte er.
Der Betroffenenbeirat in der Erzdiözese hat ebenfalls Forderungen veröffentlicht, die darauf zielen, Machtstrukturen aufzubrechen und demokratische Elemente einzuführen. Auch verlangt er, Tätern keine Gratulationsschreiben mehr zu widmen, die den Missbrauch unerwähnt lassen (siehe unten). Porträts der Erzbischöfe Oskar Saier und Robert Zollitsch, denen der Bericht systematische Vertuschungen nachgewiesen hat, sollten aus öffentlichen und kirchlichen Räumen entfernt werden. Auch solle Zollitsch nach seinem Tod keinen Platz in der Bischofsgruft im Freiburger Münster erhalten, so die Betroffenenvertreter.
Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ ging am Dienstag noch einen Schritt weiter und verlangte, Zollitsch aus dem Klerikerstand zu entlassen. Erzbischof Saier solle aus der Bischofsgruft auf einen anderen Friedhof umgebettet werden.