„Abgrund an Doppelmoral“
Katholische Kirche: Bischof Fürst zeigt sich entsetzt über Freiburger Missbrauch-Studie.Die am Dienstag in Freiburg vorgelegte Untersuchung zum Thema sexueller Missbrauch durch Geistliche seit 1945 (siehe Mantelteil) machten ihn „traurig und sprachlos“, so Bischof Gebhard Fürst laut einer Pressemitteilung der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Der Abgrund an Doppelmoral bei den Tätern ist erschreckend.“ Die Vertuschung von Straftaten und vor allem „das vollkommene Desinteresse“ an den Opfern über einen langen Zeitraum „durch die beiden Erzbischöfe Oskar Saier und Robert Zollitsch sind eine schwere Verletzung der Pflichten des bischöflichen Hirtenamtes“.
Immer wieder habe er sich während der Zeit, als Erzbischof Zollitsch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) war, gefragt, „weshalb wir uns als DBK nicht entschiedener der Aufklärung von sexuellem Missbrauch gestellt haben“. Vor allem nach dem Skandal um das Berliner Canisius-Kolleg 2010 sei ihm unerklärlich gewesen, so Fürst, warum die DBK über Wochen schwieg „und nicht wenigstens auf die (leider in vielen Diözesen nicht eingehaltenen) Beschlüsse zum Umgang mit sexuellem Missbrauch hingewiesen wurde“. Heute wisse er, warum das so war. „Und seit heute weiß ich auch, dass damals die Diözese des Vorsitzenden eine Anfrage der DBK für eine deutschlandweite Übersicht von Missbrauchstätern einfach nicht beantwortet hat.“
Fürst befürchtet Austrittswelle
Fürst weist „bei aller Scham“ aber darauf hin, dass seit dem Amtsantritt von Erzbischof Stephan Burger 2014 „dieses Fehlverhalten ein Ende“ habe. „Leider werden auch jetzt bei uns wieder – wie vor 15 Monaten nach dem Gutachten für München und Freising – die Zahlen der Kirchenaustritte steigen. Da wird dann nicht mehr groß unterschieden.“ Dabei unterscheide sich der Umgang in der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit dem Thema sexueller Missbrauch „seit langem signifikant von dem der anderen Bistümer in Deutschland“.
Hier sei man „die Aufklärung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Priester und andere Geistliche schon vor über 20 Jahren intensiv und strategisch angegangen“ – vor allem durch die Kommission sexueller Missbrauch (KsM). „Ich als Bischof habe die aus diesen Untersuchungen hervorgegangenen Handlungsempfehlungen der KsM und die von ihr vorgeschlagenen Konsequenzen übernommen und mich auch mit vielen Opfern zu persönlichen Gesprächen getroffen“, so Fürst.