Rhein-Neckar-Zeitung - Heidelberger Nachrichten, 17.04.2023

 

Tanja Lenz ist da, wenn die Vereinsamung droht

Die ehrenamtliche Seelsorgerin aus Großsachsen kümmert sich als Beauftragte der Evangelischen Kirchengemeinde um Senioren

Von Annette Steininger

Hirschberg-Großsachsen. Sie ist generell an Menschen interessiert, hört gerne zu und empfindet den Erfahrungsschatz Älterer als ungemein wertvoll: Die Großsachsenerin Tanja Lenz arbeitet ehrenamtlich als Seelsorgerin im Auftrag der Evangelischen Kirchengemeinde Großsachsen. Solche Seelsorger findet man in verschiedenen Bereichen, aber die 51-Jährige hat sich bewusst für Seniorinnen und Senioren entschieden.

„Meine Eltern sind früh verstorben“, erzählt Lenz. Als sie und ihr Mann berufsbedingt 2013 von Bayern nach Hirschberg zogen, ließen sie auch die „Ersatz-Großeltern“, die sich für die heute erwachsenen zwei Töchter gefunden hatten, zurück. Lenz fehlte der Kontakt zur älteren Generation, für sich wie auch für den Nachwuchs.

Also fing sie ein Jahr später an, ehrenamtlich als Alltagsbegleiterin im Seniorenzentrum am Turm zu arbeiten, ging mit den älteren Herrschaften spazieren oder spielte Spiele. Hauptberuflich war Lenz damals als Verwaltungsfachkraft bei der Telefonseelsorge der Evangelischen Kirche in Mannheim tätig. So kam es auch zur ersten Begegnung mit Seelsorge. Weit über 100 Ehrenamtliche seien dort tätig, erzählt Lenz. Sie sprach den Leiter an, ob sie nicht auch eine Ausbildung zur Telefon-Seelsorgerin machen könne. Aber der Leiter wollte Haupt- und Ehrenamt lieber nicht vermischen. „Außerdem wären die Nachtschichten dort nicht so meins gewesen“, sagt die Großsachsenerin.

Also machte sich Lenz auf die Suche nach etwas Ähnlichem und wurde, ebenfalls bei der Kirche fündig. So bietet die Evangelische Landeskirche in Baden nämlich gemeinsam mit dem Zentrum für Seelsorge eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Seelsorgerin als Begleitung an – ein entsprechender Kurs läuft gerade in Großsachsen. Sie selbst absolvierte ihn gut 1,5 Jahre lang von 2016 bis 2018 in Ilvesheim. Und auch als ausgebildete Seelsorgerin blieb sie dem Seniorenzentrum treu. „Ich mag das Haus und auch die Menschen dort“, schwärmt Lenz.

Auch wenn es schon viel Wechsel dort gebe, „wie überall in der Pflege“. Was sich durch die Ausbildung zur Seelsorgerin dort für sie änderte? Lenz wurde offiziell bei einem Gottesdienst in der Evangelischen Kirche Großsachsen eingesegnet und erhielt auch eine Beauftragungsurkunde über einen Zeitraum von vier Jahren. Dieser läuft jetzt im April aus, aber Lenz macht von Herzen gerne weiter.

Kümmerte sie sich vor ihrer Beauftragung zur Seelsorgerin um mehrere Damen und Herren, so fokussiert sie sich jetzt immer auf eine Person, die ihr von den Pflegefachkräften ans Herz gelegt wird. Aktuell ist es eine 92-jährige Dame. „Ich begleite die Menschen jeweils bis zum Schluss, also bis sie sterben“, erzählt Lenz. Eine nicht immer einfache Aufgabe, denn ihre Schützlinge wachsen ihr doch sehr ans Herz, und sie baut eine Bindung auf. „Es tut weh, jemanden gehen zu lassen.“ Nachdem sie inzwischen sieben Menschen Lebewohl gesagt hatte, musste sie sich zwischendurch auch mal eine Pause von drei Monaten nehmen, so sehr bewegte sie dies. „Aber das ist auch vollkommen in Ordnung und akzeptiert“, erzählt Lenz. „Wir haben auch regelmäßig Supervisionen. Der Austausch untereinander ist enorm wichtig.“ Um ihren Kopf freizubekommen, geht sie auch gern mit Hündin Zoe in der Natur spazieren, macht Yoga, Spinning oder meditiert.

Zoe darf auch manchmal mit, wenn sie mit den Senioren spazieren geht. „Sie freuen sich sehr, wenn ich sie mitbringe.“ Überhaupt ist das, was sie zurückbekommt, ihr Antrieb. „Sie sind so dankbar. Was man für die wenige Zeit erhält, ist so viel“, schwärmt Lenz.

In der Regel ist die berufstätige, junge Oma montags vor Ort. Sie ist dann bei ihrem Schützling, jemandem, der sich einsam fühlt, jemanden braucht, der zuhört. Man sollte keine Ratschläge geben, hat Lenz in ihrer Ausbildung gelernt, denn jeder Rat sei ein Schlag. Sie nimmt sich Zeit, stützt den Senior oder die Seniorin, zeigt Empathie und betet oder singt auch, wenn es gewünscht wird. Besonders berührte es Lenz, wenn sie eine depressive Dame, die sie zuvor betreut hatte, zum Lachen bringen konnte.

Sie denkt aber auch an die Corona-Pandemie und ihre Einschränkungen für die Seniorenheime zurück, „eine besonders schlimme Zeit“. Viele Menschen seien an Einsamkeit gestorben. Die Frau, die sie zu diesem Zeitpunkt betreute, wohnte im Erdgeschoss des Seniorenzentrums, sodass sich Lenz gemeinsam mit deren Tochter vor das Fenster stellte, damit man sich beim Telefonat zumindest sehen konnte. „Ihre Tochter hat sie aber dann auch zu sich nach Hause genommen und bis zu ihrem Tod dort gepflegt“, erzählt Lenz, weil die Situation so für sie unhaltbar war.

In der Pflege bleibe aufgrund des Fachkräftemangels oft auch nicht die Zeit für ein längeres Gespräch, bedauert Lenz. Noch ist sie die einzige ehrenamtliche Seelsorgerin im Seniorenzentrum, aber sie hofft, dass sich das durch den Kurs vielleicht ändert. „Der Bedarf ist auf jeden Fall da“, betont sie.

Info: Weitere Informationen zur ehrenamtlichen Seelsorge gibt es auf der Homepage der Evangelischen Landeskirche unter www.ekiba.de/infothek/arbeitsfelder-von-a-z/seelsorge-beratung/seelsorge-3/zentrum-fuer-seelsorge-aus-und-fortbildung-2/