Schwetzinger Zeitung, 11.04.2023

 

Hinter dem Leiden schimmert Hoffnung

Kirchengemeinden: Zwischen Gründonnerstag und Ostern finden sehr facettenreiche Gottesdienste und Andachten beider Konfessionen statt

Von Ralf Strauch

Brühl. Zahlreiche Gläubige besuchten an Karfreitag und während der Ostertage die Gottesdienste in Brühl. „Wir gedenken des leidvollen Todes Jesu am Kreuz. Sein Ruf ,Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?’ greift die mit diesem Tag verbundenen Fragen nach der Gegenwart Gottes im Leiden auf. Wo ist Gott, wenn das Dunkel nach uns greift und wir leiden müssen?“, erklärt der evangelische Pfarrer Marcel Demal.

Die Botschaft des Tages lautet aus seiner Sicht: Gott weiche dem Leid nicht mehr nur aus, sondern leide „in Jesus Christus, seinem Sohn, mit uns und für uns“. Ans Kreuz nehme Jesus all das mit, was die Menschen belaste und das Leben schwermache. „Schuld, Ängste, Versagen, das Gefühl der Gottverlassenheit: Am Kreuz findet alles Dunkle in unserem Leben seinen Platz“, so Demal.

Speisen und Getränke teilen

Bereits am Abend des Gründonnerstags hatte die evangelische Kirchengemeinde zum Tischabendmahl ins Gemeindezentrum eingeladen. In Erinnerung an das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern, versammelten sich die Gottesdienstbesucher um Tische im Halbkreis und feierte gemeinsam einen Abendmahlsgottesdienst. Neben dem rituellen Teilen von Brot und Wein wurden danach auch andere herzhafte Speisen miteinander geteilt.

In der Ansprache wurde Bezug genommen auf das Bild „Dies ist mein Leib“ von Sieger Köder, der die Abendmahlsszene aus einer anderen Perspektive gemalt hatte, als andere Künstler. So ist Jesus in dem Bild nicht zu sehen, lediglich sein Spiegelbild im Kelch mit dem Wein. Ein besonderer Höhepunkt des Abends war das restaurierte Holzkreuz, das früher in der evangelischen Kirche gehangen hatte und nun einen neuen Platz an der Wand im Gemeindezentrum fand. Ein Team aus Ehrenamtlichen hatte das Holzkreuz aufwendig restauriert und an der vorderen Wand des Saals angebracht.

Blumen als Zeichen der Vorfreude

Bei bestem Wetter feierte eine große Kinderschar mit Eltern und Großeltern den Kinderkreuzweg an Karfreitag in und um die katholische Schutzengelkirche. Gemeindereferentin Nathalie Wunderling begrüßte und leitete die Feier, bei der die Passion Jesu im Mittelpunkt stand. Die einzelnen Szenen der Leidensgeschichte wurden von Mitgliedern des Familiengottesdienstkreises und Kindern in ganz eindrucksvoller Weise gespielt. Nach dem Abendmahl, das im katholischen Pfarrzentrum dargestellt wurde, zogen alle in einer Prozession um das katholische Gotteshaus.

Die Verhaftung im Garten Getsemani fand auf den Stufen des Pfarrzentrums statt. Die Verurteilung durch Pilatus und Jesu Weg mit dem Kreuz folgten. Im Innern der Kirche angekommen wurde vorgelesen, wie Jesus den qualvollen Tod am Kreuz starb. Mit bunten Blumen verwandelte sich das triste Holzkreuz nach und nach zu einem Zeichen des nahenden Osterfestes.

Musikalisch gestaltete der Kinderchor unter der Leitung von Moni Zorn und Doris Siebert die Feier mit. „Seht dieser König“, so sangen die Kinder.

Ökumenische Feier

Evangelische und katholische Gottesdienstbesucher versammelten sich in den frühen Morgenstunden des Ostersonntags beim Gemeindezentrum zur ökumenischen Auferstehungsfeier um das Osterfeuer. An dessen Flammen wurde die Osterkerze feierlich entzündet. Im gemeinsamen Gottesdienst waren verschiedene biblische Lesungen zu hören, die musikalisch von Sängern des Chores „Intakt“ unter der Leitung von Rebecca Ott begleitet wurden. Geleitet wurde der Gottesdienst von Diakon Heiko Wunderling, Pfarrerin Melanie Börnig und einem Team aus Ehrenamtlichen. Ostern schilderte Wunderling dabei als das Fest der Hoffnung. „Doch ist die Stimmung in unserer Gesellschaft, in der Kirche und auch oftmals in unserem eigenen Leben nicht vielmehr vom Gegenteil, von Sorgen, Ungewissheiten bis hin zur Hoffnungslosigkeit geprägt, als von einem Fest der Hoffnung?“

Er zählte den „furchtbaren Krieg in der Ukraine, die schrecklichen Bilder von Naturkatastrophen, unvorstellbare Gewalttaten auch in unserem Land bis hin zur Wirtschafts- und Klimakrise“ auf – bei alledem und so manchem mehr bleibe die Hoffnung buchstäblich auf der Strecke. Auch im Hinblick auf die immer größer werdenden Pfarrgemeinden in der Kirche blieben immer mehr Menschen resignierend und enttäuscht zurück. Zudem gebe es im persönlichen Bereich so manche Diagnose von den Ärzten, den ein oder anderen Streit in der Familie oder Sorgen um die Zukunft. „All dies lässt das große Wort der Hoffnung nahezu verdunsten – Resignation und Tristesse, Frust und Hoffnungslosigkeit breiten sich aus“, so Wunderling. Sicher genau jene Stimmungslage, die den Frauen auf dem Weg zum Grab Jesu auch zuteil war – nicht österliche Heiterkeit.

Doch durch die Verkündung, dass Jesus auferstanden sei, verwandele sich die Nacht in den hellen Ostermorgen, die Dunkelheiten des Lebens in Freude und Glück.

Kein ewiger Kreislauf

„Diesen Osterglauben kann uns niemand rauben“, hieß es auch zum Einstieg in den Ostergottesdienst in der Schutzengelkirche einige Stunden später. Damit werde laut dem katholischen Pfarrer Erwin Bertsch zum Ausdruck gebracht: Was damals im Grab vor den Toren Jerusalems geschehen sei – dass der Stein weggerückt gewesen sei und gähnende Leere geherrscht habe, dass der, der am Kreuz gestorben war, lebend unter den Seinen sei – werte er als Sieg des Lebens über den Tod.

Bekenntnis zum Leben

„Ostern ist Bekenntnis zum Leben, nicht nur allgemein zum Leben, sondern zu einem bestimmten Leben – ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Das Heil sei aber nicht nur in der Seele zu suchen, die sich schließlich absetze und aus dem Staube mache. Der Staub der Erde, der Leib sei in die Vollendung einbezogen: „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches – deutlicher kann man es nicht sagen“, so Bertsch.

Darum spiele der Leib in der Begegnung Jesu mit den Osterzeugen eine große Rolle. Jesus habe seine leibhaftige Lebensgeschichte nicht abgestreift, sie sei da. Seine ganze Geschichte gehöre zu ihm, zu seiner Identität. Sie sei in die Auferstehung einbezogen.

Der Unterschied zur Reinkarnationslehre manch anderer Religion sei, dass die Zeit, die den Menschen zu leben geschenkt sei, nicht wiederkomme. „Sie ist durch den Tod befristet“, so Bertsch, „der Kreislauf des ewigen Stirb und Werde ist durchbrochen durch Jesu Leben und Sterben. Er hat der Geschichte eine Richtung gegeben. Sie dreht sich nicht im Kreis, sie hat einen Anfang und ein Ziel.Jesus hat sie auf den Punkt gebracht, er hat sie in Gott verankert. Ostern heißt endgültig bei Gott sein und in ihm leben.“