Badische Zeitung Rheinfelden, Wiesental, 04.04.2023

 

„Kaum ein Schwörstädter kommt“

: Werner Bühler kümmert sich seit 40 Jahren um die evangelische Kirche in Dossenbach. Er ist der einzige Kirchengemeinderat aus dem Dorf. Wer seine Aufgaben nach der Kirchenwahl 2025 übernehmen wird, ist ungewiss.

SCHWÖRSTADT-DOSSENBACH Die Glocken der evangelischen Kirche in Dossenbach läuten sogar dreimal vor dem Gottesdienst: eine Stunde davor die kleine, eine halbe davor die große und zehn Minuten davor beide zusammen, erklärt Werner Bühler (70). „Das kenne ich nicht anders,“ sagt er. Man darf wohl sagen, dass keiner in den vergangenen 40 Jahren die Dossenbacher Kirche so gut kennt wie Bühler: Seit 1983 ist er Kirchengemeinderat, seit 1992 Kirchendiener. Als er 1968 in dieser Kirche konfirmiert wurde, seien die Glocken bereits elektronisch geläutet worden und nicht mehr von den Konfirmanden wie früher, erzählt Bühler und fügt schelmisch hinzu: „Wir waren aber der erste Jahrgang, der nicht mehr die Blasebälge der Orgel bedienen musste.“

Bühler ist ein echter Dossenbacher; als solcher ging er in den Kindergottesdienst und nach der Konfirmation in den Jugendkreis bei Pfarrer Siegfried Simm, wo laut seiner Erinnerung „viel gesungen“ wurde und es einmal im Jahr ins Jugendheim nach Gersbach ging. „Damals sah es noch ein bisschen anders aus“, sagt Bühler im Hinblick auf das Gemeindeleben: „Damals war ich einer der Jüngsten, heute bin ich fast der Älteste.“


Und er ist mittlerweile auch der Einzige: „Als ich 1983 in den Kirchengemeinderat gewählt wurde, hatte dieser vier Mitglieder aus Schwörstadt und vier Mitglieder aus Dossenbach. Heute hat er drei aus Schwörstadt und einen aus Dossenbach.“ Trotz intensiver Suche habe sich zur Wahl 2019 kein Kandidat mehr in Dossenbach gefunden. Zur nächsten Wahl im Advent 2025 will auch Bühler nicht mehr antreten. Wer sich danach um die Dossenbacher Kirche kümmern wird, ist offen.
Bei der Evangelischen Landeskirche in Baden ist es genau andersherum als in der Politik: Schwörstadt gehört zu Dossenbach. Der Verkauf der evangelischen Kirche im traditionell katholischen Schwörstadt, ein Bau aus den Fünfzigern, ist bereits beschlossene Sache. Die Protestanten in Nordschwaben gehören seit Jahresbeginn zu Rheinfelden. Wie es mit der Kirchengemeinde Dossenbach weitergehen wird, ist ungewiss. Auch Pfarrer Clemens Ickelheimer wird in wenigen Jahren pensioniert. Bühler macht sich keine Illusionen: „Es wird keinen Nachfolger geben; Dossenbach und Schwörstadt werden dann von Schopfheim aus betreut.“ Schon jetzt müssen sich die Dossenbacher Pfarrer Ickelheimer mit den Haslern teilen: Gottesdienst findet nur alle zwei Wochen statt.


Werner Bühler geht dann bereits am Samstag zur Vorbereitung in die Kirche, steckt die Liedernummern an die Tafel, richtet den Blumenschmuck und putzt den Kirchenraum. Eine besondere Plage in der Dossenbacher Kirche, erzählt er, seien die vielen Fruchtfliegen, besonders im Frühling und Herbst. Bühler führt ihre hartnäckige Präsenz auf die Eulen zurück, die früher im Kirchturm lebten. Deren Unrat habe die Fliegen angezogen. Der Kammerjäger sei schon mehrfach gekommen: „Mittlerweile ist es etwas besser.“ Die Anfrage, eine Heimstätte für den Turmfalken im Kirchturm zu schaffen, habe er vehement abgelehnt. Den Evangelientext und die Fürbitten liest Bühler allerdings nicht: „Das liegt mir gar nicht. Ich wirke lieber im Hintergrund.“
Es gehe ihm nicht so gut, wenn er an den Zustand der Kirchengemeinde in Dossenbach denke, gesteht Bühler. „Meine Mutter ging immer in die Kirche, selbst in der ‚Dunklen Zeit‘“, sagt Bühler und meint damit die Naziherrschaft, während derer es im Dorf zunehmend Mut erfordert habe, sich zum christlichen Glauben zu bekennen. „Die Freikirchen haben mehr Zulauf“, beschreibt der 70-Jährige die heutige Situation. Die Probleme sieht er aber auch in der Struktur vor Ort: „Kaum ein Schwörstädter ist bereit, zum Gottesdienst nach Dossenbach zu kommen.“ Im Endeffekt finden sich an diesem Sonntag rund ein Dutzend Gläubige zum Gottesdienst ein, darunter zwei Konfirmandinnen. Auch Liane Klingler und Brunhilde Hacker-Probst, zwei der drei Kirchengemeinderäte aus Schwörstadt, sind gekommen.


Alle Serien-Teile unter badische-zeitung.de/ehrenamtliche-in-der-kirche.