„Gewaltige Einschnitte“
Dass die Evangelische Landeskirche in Baden sparen muss, steht schon lange fest. Jetzt liegen konkrete Pläne vor, wie in der Ortenau 30 Prozent an Haushaltsmitteln, etwa Stellen, eingespart werden. VON DOMINIK KALTENBRUNNOrtenau. Die Evangelische Landeskirche in Baden (Ekiba) befindet sich etwa wegen immer weniger Mitgliedern, sinkenden Kirchensteuereinnahmen und einem Mangel an Pfarrer-Nachwuchs in einem Strukturwandel. Die Vorgabe für die jeweiligen Kirchenbezirke: 30 Prozent aller Haushaltsmittel bis 2032 einsparen, konkret etwa bei Stellen und Gebäuden. Seit 2019 laufen bei der Ekiba die Überlegungen dazu. Jetzt gibt es erstmals konkrete Pläne für den Kirchenbezirk Ortenau. Das Großprojekt, der sogenannte Strategieprozess „Ekiba 2032“, ähnelt der Umstrukturierung „Kirchenentwicklung 2030“ beim katholischen Erzbistum Freiburg.
„Der Strategieprozess 2032 wird das Bild und die Arbeit in der evangelischen Kirche sehr nachhaltig verändern“, betonte der Lahrer Dekan Rainer Becker am Donnerstag. Gemeinsam mit seinen Kollegen, Dekan Frank Wellhöner (Offenburg) und Oliver Wehrstein (Kehl) stellte er anlässlich eines Pressetermins die Pläne vor. „Wir hatten zuletzt weniger Taufen, aber mehr Beerdigungen und Kirchenaustritte, also weniger Mitglieder und finanzielle Mittel“, brachte Becker die Rahmenbedingungen auf den Punkt. „Das sind gewaltige Einschnitte, mit denen wir umgehen müssen.“
Die Ortenau sei dabei aber noch relativ gut aufgestellt. „Wir sind ein ländlich geprägter Kirchenbezirk mit einem noch aktiven Gemeindeleben. Aktuell gibt es etwa 100.000 evangelische Christen in der Ortenau“, so Becker. Von den 30 Prozent Einsparungen will die Ekiba einen Teil in klimafreundliche Gebäudesanierungen und die Digitalisierung investieren.
Die Rahmenbedingungen wurden vom zentralen Organ der Ekiba, der Landessynode, festgelegt – die Umsetzung stehe den Kirchenräten in den jeweiligen Bezirken aber völlig frei, so Becker. Aktuell würden die Pläne in der Ortenau auf allen Ebenen, insbesondere den Gemeinden, diskutiert. „Die Ortenau stellt bei der Landessynode fünf Delegierte, das ist der größte Anteil und ein Vorteil für uns, wir sind nah an den Entscheidungen“, sagte Oliver Wehrstein, Dekan in Kehl.
Bei der Stellenreduzierung steht fest, dass die Ortenau statt wie bisher exakt 53,25 Pfarrstellen bis Ende 2035 nur noch 40 besitzt. Aber: „Entlassungen wird es nicht geben“, sagte Wellhöner. Stattdessen werden aus Altersgründen frei werdende Stellen nicht mehr neu besetzt. Künftig würde ein Pfarrer damit etwa für 2100 Gemeindemitglieder zuständig sein – das entspreche in etwa der aktuellen Situation, denn Stellenstreichungen und Mitgliederrückgang werden zusammenkommen.
Eine wichtige Veränderung wird sein, dass es künftig statt wie bisher nicht mehr für jede Gemeinde einen eigenen hauptamtlichen Mitarbeiter (etwa einen Pfarrer oder Diakon) geben wird. Das ist wegen des Nachwuchsmangels nicht mehr aufrechtzuerhalten. „Künftig wird daher ein Hauptamtlicher für mehrere Gemeinden zuständig sein“, so Wehrstein. Die neue Aufteilung nennt sich Kooperationsräume. „Zum 1. Januar 2024 müssen die Kooperationsräume feststehen und die hauptamtlichen und weiteren Mitarbeiter in sogenannten Dienstgruppen organisiert sein“, sagte Wehrstein.
In der Ortenau soll es künftig sieben oder acht Kooperationsräume geben. Fraglich ist zum Beispiel noch, ob das Achertal und Renchtal jeweils eine solche Einheit bilden, oder zu einem Kooperationsraum zusammengefasst werden. Dasselbe gilt laut Wehrstein für den Raum Kehl und Willstätt, außerdem wird es wohl einen eigenen Kooperationsraum nördliches Hanauerland geben. Pro Kooperationsraum sollen mindestens drei Hauptamtliche tätig sein. Für das Dekanat Lahr wird momentan diskutiert, ob drei oder vier solcher Einheiten eingeführt werden. „Sehr wahrscheinlich ist, dass es einen Kooperationsraum mit der Stadt Lahr, Hugsweier, Langenwinkel und Seelbach geben wird, sowie den sogenannten Südbezirk mit etwa Kippenheim, Schmieheim, Ettenheim und Mahlberg“, berichtete Becker.
Für das Ried sei noch nicht absehbar, ob es zu einem oder zwei Kooperationsräumen zusammengefasst wird. Wellhörner berichtete für den Bereich Offenburg, dass dort momentan drei Kooperationsräume im Gespräch sind: das obere Kinzigtal, das mittlere Kinzigtal und Offenburg. Unsicher ist etwa noch, ob Schutterwald zu Offenburg oder dem Ried kommt. Nachdem die Kirchengemeinden Stellungnahmen dazu verfasst haben, erstellt der Ortenaukirchenrat im Juli einen finalen Entwurf. „Der Beschluss erfolgt dann im November 2023 nach einer Ortenausynode“, sagte Wellhöner.
Bei der Aufteilung der Kooperationsräume gebe es vonseiten der Gemeinden noch den einen oder anderen Klärungsbedarf und Unzufriedenheit. Für die Stellenabbau-Pläne habe es dagegen „größtenteils Verständnis“ gegeben. „Niemand findet das gut, aber die allermeisten finden die Pläne nachvollziehbar und alternativlos“, so Wehrstein. Nur zwei Gemeinden seien damit noch nicht einverstanden. Namentlich wollte Wehrstein diese aber nicht nennen. „Wir wollen mit den Gemeinden darüber reden, und nicht über sie“, sagte der Kehler Dekan.
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