Südkurier Konstanz, 18.02.2023

 

Karlsruhe lässt die Finger von Reformschulen

Die Verfassungsrichter wollen nicht über die Anerkennung von Fernunterricht urteilen. Tausende Euro Gerichtskosten sind weg

VON MARCUS MOCKLER, EPD

Laichingen/Karlsruhe – Es ist vorbei, zumindest für die nächsten Jahre. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat eine Verfassungsbeschwerde der baden-württembergischen Landesvereinigung für dezentrales Lernen nicht zur Entscheidung angenommen. Damit ist der Versuch der Reforminitiative in Laichingen bei Ulm gescheitert, vom Staat als Ersatzschule anerkannt und auch entsprechend gefördert zu werden. Sechs Jahre nach Beginn der juristischen Auseinandersetzung ist der Verein damit zwar um Zehntausende Euro Anwalts- und Gerichtskosten ärmer, in der Sache aber keinen Schritt weitergekommen.

Die Schulen des Vereins bieten an nur einem Tag pro Woche Präsenzunterricht, an den anderen werden die Kinder über Internet und Telefon betreut. Das Regierungspräsidium in Tübingen hatte die Genehmigung dieses Formats abgelehnt und mit dieser Auffassung vom Verwaltungsgericht Sigmaringen recht bekommen. In der Berufung scheiterte die Landesvereinigung auch vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Danach wollten sich weder das Bundesverwaltungsgericht noch das Bundesverfassungsgericht der Beschwerden gegen dieses Urteil annehmen.

Jonathan Erz, Vorsitzender der Landesvereinigung, ist enttäuscht. „Wir bemängeln, dass sich oberste Gerichte nicht mit den Inhalten unserer Klage befasst haben“, sagte er. Grundsatzfragen blieben ungeklärt, etwa: Was macht eine Schule aus? Wie viele Präsenztage sind erforderlich, um vom Staat als Ersatzschule anerkannt zu werden? Man habe beim Verwaltungsgerichtshof nicht einmal vortragen dürfen, das Recht auf Gehörtwerden sei verletzt worden. Dabei schien es, als habe die Zeit für die Reformschule gespielt. Corona hat den Schulunterricht in den eigenen vier Wänden salonfähig gemacht. Im Lockdown war das virtuelle Klassenzimmer in Deutschland nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Der Verein auf der Schwäbischen Alb hatte schon vor der Pandemie auf das Büffeln zu Hause gesetzt und musste sich kaum umstellen.

Die Reformer wollten 2014 vom Regierungspräsidium Tübingen eine Grundschule sowie eine Haupt- und Werkrealschule zugelassen bekommen, in denen dezentrales Lernen praktiziert wird. In Laichingen arbeitet seit neun Jahren eine Ergänzungsschule nach dem sogenannten Uracher Plan, an dem unter anderem der frühere Bildungsdezernent der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Werner Baur, sowie die Pädagogikprofessoren Hartmut von Hentig und Hans Alois Schieser mitgearbeitet hatten.

Laut Schulleitung hat man sowohl mit den Leistungen als auch mit dem Sozialverhalten der Schüler positive Erfahrungen gemacht. Die Richter haben in ihren Urteilen und Beschlüssen dagegen deutlich gemacht, dass sie bei dezentralem Lernen die gesetzliche Schulpflicht als nicht erfüllt betrachten. Zur Bildung gehöre auch das Lernen in sozialer Gemeinschaft. Außerdem sehen sie die herausragende Bedeutung der Eltern für den Lernerfolg als kritisch an, da diese in der Regel keine pädagogische Ausbildung hätten.