Badische Zeitung Freiburg im Breisgau, 18.02.2023

 

Ein Ort zum Wohnen, Reden und Trösten

Im Elternhaus des Vereins „Herzklopfen“ werden die Familien von herzkranken Kindern unterstützt. Weil das so wichtig ist, will der Verein das Haus der Evangelischen Kirche abkaufen.

FREIBURG-STÜHLINGER Seit 2019 gibt es die drei Familienwohnungen im Haus an der Lutherkirchstraße 1a – direkt bei der Klinik. Wenn es einem Kind plötzlich schlecht geht, können die Eltern innerhalb von fünf Minuten bei ihm sein, Tag und Nacht. Diese Nähe zur Klinik ist die Grundvoraussetzung für alles, sagt Petra Huth. Sie ist als hauptamtliche Mitarbeiterin bei „Herzklopfen“ mit einer Vollzeitstelle für alle Eltern von herzkranken Kindern da und weiß als Mutter einer 1998 geborenen herzkranken Tochter sehr gut, wie es ihnen geht.

Viele Familien kommen von weit weg an die für einige Behandlungen wie Herztransplantationen spezialisierte Freiburger Uniklinik – zum Beispiel aus Trier, Berlin oder Münster. Manchmal würden Kinder eilig mit dem Hubschrauber hergeflogen und die Eltern fahren mit dem Auto oder Zug hinterher, erzählt Petra Huth. Im Haus von „Herzklopfen“ gibt es ein Zimmer im Erdgeschoss für diejenigen, deren Kind voraussichtlich nur kurz in der Klinik bleibt, wegen eines Herzkatheters oder einer einmaligen Untersuchung. Oben sind zwei weitere Zimmer für Eltern, deren Kinder über Wochen oder Monate behandelt werden müssen, zum Beispiel wegen einer Herztransplantation. Die bisher längste Wohndauer seien sechs Monate gewesen, sagt Petra Huth. Auch wenn oben Platz für zwei Familien ist, wurde seit Corona-Beginn meist nur eine einquartiert – denn Küche und Bad müssen geteilt werden, dadurch gibt es Ansteckungsrisiken.


Herzkranke Kinder gehören zu den großen Gruppen von Menschen in der Gesellschaft, für die Corona auch dann gefährlich bleibt, wenn die Mehrheit der Bevölkerung zur früheren Vor-Corona-Sorglosigkeit zurückkehrt. Ohnehin erleben chronisch kranke Menschen oft, dass vielen das Verständnis für deren Situation fehlt, sagt Petra Huth: „Die meisten denken, nach einer Krankheit sei man irgendwann wieder gesund – doch bei chronischen Krankheiten ist eben genau das nicht der Fall.“


Damit müssen die Familien von herzkranken Kindern umgehen lernen. Dabei hilft der Austausch mit denen, die in einer ähnlichen Situation sind, und mit dem Seelsorger Jens Terjung, der mit einer halben Stelle beim Verein angestellt ist. Das gilt ganz besonders für die Verzweiflung, wenn Eltern ein Kind verlieren: „Im vergangenen Jahr sind mehrere Kinder gestorben“, sagt Petra Huth. Da bekomme das „Herzklopfen“-Haus existentielle Bedeutung: „An der Klinik gibt es keine Rückzugsorte für solche Situationen.“


Aus all diesen Gründen ist klar: Der Verein will sein Elternhaus unbedingt behalten – und es am liebsten sogar vergrößern. Petra Huth möchte Familien noch mehr ganzheitliche Betreuung anbieten, unter anderem mit Entspannungsmöglichkeiten und Erste-Hilfe-Kursen, denn Erste Hilfe kann bei herzkranken Kindern jederzeit nötig werden.


Möglich wäre eine solche Erweiterung durch einen Kauf nicht nur der jetzt genutzten Doppelhaushälfte, sondern auch der anderen nebenan. Diese vermietet die Evangelische Kirche bisher an die Evangelische Sozialstation. „Herzklopfen“ hatte bis zum Jahresanfang immer nur Ein-Jahres-Mietverträge. Seit dem Kauf der Lutherkirche durch die Uniklinik laufen Planungen für das gesamte Areal, zu dem neben dem Gebäude mit den zwei Doppelhaushälften noch ein weiteres, derzeit leerstehendes Gebäude gehört (die BZ berichtete). Alle „Herzklopfen“-Engagierten hatten sich zuletzt große Sorgen gemacht, dass demnächst alles an die Uniklinik verkauft werden könnte. Mit viel Energie haben sie es hingekriegt, durch die Benefizaktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse knapp 200.000 Euro Spenden zu sammeln. Da die beiden Haushälften stark renovierungsbedürftig sind, geht Petra Huth von einem Kaufpreis in Erbpacht von 350.000 bis maximal 500.000 Euro aus – das müsste für den Verein nun zu stemmen sein.


Bisher aber ist nur klar, dass „Herzklopfen“ auf jeden Fall noch zwei Jahre in seiner Haushälfte bleiben kann. Die Evangelische Kirche hat den Mietvertrag, der im Mai wieder ausgelaufen wäre, nochmals verlängert, diesmal für einen doppelt so langen Zeitraum wie davor. Wie es dann weitergeht, ist offen.


Bei einem Gespräch mit Kirchenangehörigen kürzlich, das Petra Huth sehr positiv fand, wurde ihr gesagt, dass über die Zukunft des Gebäudes die Kirchen-Gremien entscheiden werden. Auch Timo Sorg, der Pressesprecher der Evangelischen Kirche, antwortet auf die Fragen der BZ nur, dass diskutiert werde, wie die Kirche ihre Gebäude „weiterentwickeln“ könne. Wegen des Gebäudekomplexes in der Lutherkirchstraße sei man „in Gesprächen mit der Uniklinik und natürlich auch mit dem Verein Herzklopfen“.