Sorgen um die Sicherheit
Viele Fragen rund um die geplante Erstaufnahmeeinrichtung im Bader-Areal bleiben offen Sebastian KappNach und nach leerten sich die Reihen, während die Debatten teils noch im Gange waren. „Das bringt doch hier eh nichts“, schimpfte einer beim herausgehen, ein weiterer stimmte ein: „Eine Kasperleveranstaltung ist das.“ Andere benutzen eine feinere Wortwahl, um doch ihren Unmut über die angedachte Erstaufnahmeeinrichtung (EA) auf dem Bader-Areal im Brötzinger Tal kund zu tun. „Muss man denn 900 Menschen dem Lagerkollaps aussetzen?“, fragte eine Kita-Leiterin, die irgendwann einmal ein Mikro hatte, aber in der Ringerhalle des SV Brötzingen längst zum Freistil übergegangen ist. Etwa rein rief, wo denn das Personal für die Kinderbetreuung in der EA herkommen solle, wenn es schon in den Kitas Pforzheims an Personal fehle.
Es war der erwartete Spießrutenlauf für Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) und seine Mitstreiter auf dem Podium, die sich den Fragen der rund 100 Anwesenden stellten und am Mittwoch im Arlinger zunächst das grobe Konzept umrissen. Das Bader-Areal soll zu einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge werden. Maximal 1.000 von ihnen sollen dort gleichzeitig Platz finden, etwa 5.000 sind das im Jahr. Dafür erkauft sich die Stadt das Recht, im weiteren Verlauf 80 Prozent weniger Flüchtlinge in eine Anschlussunterbringung schicken zu müssen. Karlsruhe, so sagte Boch später, habe sogar einen 100-Prozent-Deal. Das heißt: Einmal konstante 1.000 und dann zehn statt 50 pro Monat. Nach sechs Jahren, so rechnete Boch vor, würde sich das rechnen. Eines jedenfalls sei klar: „Keine Flüchtlinge ist keine Option“, denn es gebe nun mal eine Zuteilung per Gesetz.
Und hätte es noch einen Zweifel an der Haltung der Stadt gebraucht, dann hätte Sozialdezernent Frank Fillbrunn die letzten ausgeräumt: „Unsere Stadt ist an die Grenze der Belastungsfähigkeit gekommen.“ Boch formulierte das in einfacher Sprache: „Mir brennt genauso der Kittel wie anderen Bürgermeistern auch.“ 50 Flüchtlinge pro Monat in Wohnungen unterbringen? „Das schaffe ich im Moment nicht mal für die hier wohnenden Bürger.“ Und Turnhallen zu schließen sei nicht die Lösung.
Also versuchten Stadtverwaltung, Polizei und Regierungspräsidium, die Braut so hübsch wie möglich zu machen, was nicht immer gleich souverän gelang. Andre Schöttle vom Polizeipräsidium Pforzheim etwa nahm zu Sorgen über steigende Kriminalität Stellung. „Die Polizei wird Herr der Lage sein“, sagte er zwar. Aber räumte auch ein: „Es wird mehr Diebstähle geben, mehr Körperverletzungen.“ Und zwar nicht nur in Brötzingen und Arlinger. „Unser Sicherheitskonzept wird sich auch auf die Innenstadt auswirken müssen“, sagte er.
Klaus Danner, ehrenamtlicher Ombudsmann für Flüchtlingsfragen in Baden-Württemberg, sprach von vereinzelten Taten in einzelnen Einrichtungen. Pia Gaspard konfrontierte ihn mit Presseartikeln. Dass es in Sindelfingen in der dortigen Einrichtung zu Tumulten gekommen war, weil diese deutlich stärker belegt war als im Vorfeld angekündigt. Jemand anderes berichtete von Krawall in Freiburg. Und ganz nebenbei räumte Schöttle ein, dass in der anvisierten EA, anders als in einer LEA, also Landes-Erstaufnahmeeinrichtung, keine Polizeistation vorgesehen sei.
Jochen Zühlke vom Regierungspräsidium Karlsruhe und OB Boch hatten alle Mühe, die Anwesenden davon zu überzeugen, dass der Deal zwischen Landesregierung und Stadt dann auch der Deal bleibe. Der übrigens so fix noch gar nicht ist und sich auch noch um eine Polizeistation ergänzen lasse. Zumindest aber die Obergrenze 1.000 Flüchtlinge sei schon fix, sagte Zühlke, der an anderer Stelle aber zur Verunsicherung beitrug: Das Regierungspräsidium könne im Zweifel das Bader-Areal einfach ohne Absprache in eine EA verwandeln. Auch wenn man das natürlich nicht wolle.
Ihren Unmut bekundeten aber nicht nur Menschen, denen ein weiterer Flüchtling schon einer zu viel ist. Die evangelische Dekanin Christiane Quincke etwa kritisierte zwar pro forma, dass man in einem reichen Land wie Deutschland über Hilfe diskutiere, das sei „unchristlich“. Aber Einrichtungen mit bis zu 1.000 Leuten könnten ja auch nicht ideal sein. Ob es nicht kleinere Lösungen gäbe, ein zweites Areal. Boch verneinte dies. Und für EAs plane das Land ohnehin mit mindestens 500 Plätzen, es müsse sich ja auch wirtschaftlich lohnen.
Einen bitteren Lacher kassierte Polizist Schöttle, als er auf die niedrige Kriminalitätsrate in Pforzheim verwies und dass man an Zahlen nicht belegen könne, dass der Leo oder der Marktplatz No-Go-Areas geworden seien. Zahlen, die prompt in Zweifel gezogen wurden. „Wer mir sagt, dass die alle schnell deutsch sprechen werden, der muss sich einfach mal 30 Minuten dort hinstellen“, sagte eine weitere Bürgerin. Und Toufek Morad, selbst Flüchtling und im Internationalen Beirat der Stadt, sprang ihr bei. „Selbst die Geflüchteten gehen nicht gerne auf den Marktplatz“, berichtete er.
Es sind noch weitere Gesprächsrunden geplant, eine davon wird im Gemeinderat sein, der am 4. April über die Haltung der Stadt final entscheiden möchte.
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