Badische Zeitung Rheinfelden, Wiesental, 16.02.2023

 

„Auf beiden Seiten sterben Menschen“

Seit fast einem Jahr wütet der Krieg in der Ukraine. Die Kirchen-Ökumene will den Kriegsbeginn am 24. Februar zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz nutzen. Zahlreiche Redner haben Beiträge angekündigt.

SCHOPFHEIM „Für mich ist es das erste Mal überhaupt, dass ich eine Kundgebung anmelde“, bekennt Pfarrer Martin Schmitthenner. Er ist doch erstaunt über den organisatorischen Aufwand, den so eine Veranstaltung mit sich bringt. Es müssen Redner angefragt, Musik beschafft werden und dann das ordnungsrechtliche Prozedere: Landratsamt und Ordnungshüter, die Polizei, müssen informiert und um Genehmigung gebeten werden. Schließlich bedarf es noch einigen Ordnern in leuchtenden Westen.

Doch die Sache ist es wert, ist Schmitthenner überzeugt. Die Menschen brauchen einen Ort, wo sie ihre Gedanken und Sorgen äußern können. Die Kirche will ihn bieten – öffentlich. Der Gedanke sei in der ökumenischen Friedensrunde geboren worden, die sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gebildet habe. Maßgeblich war Fahrnaus Pfarrerin Ulrike Krumm an der Idee beteiligt. Sie stellt sofort klar: „Es wurde nicht nur geredet in der Zwischenzeit. Wir haben unverzüglich Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung gestellt.“
Da ist zum einen das Untergeschoss des Pfarrhauses in Fahrnau, das zwei Familien zur Verfügung gestellt werden konnte. Und da ist das seinerzeit leer stehende Pfarrhaus von Wiechs, in dem jetzt 16 Kriegsflüchtlinge leben. „Die Bürger haben von jetzt auf gleich geholfen, Hausrat und Sachen gespendet“, erinnert Krumm. Auch Firmen hätten sich spendabel gezeigt. Das sei die erste Hilfswelle gewesen, die logischerweise abebbe. Deshalb sei es wichtig, jetzt das Thema anlässlich des traurigen Jahrestages wach zu halten, sagt die Pfarrerin, die die Kundgebung am 24. Februar auf dem Marktplatz moderieren wird.


Ihr gehe es nicht um Verurteilung der Aggressoren. „Es sterben Menschen auf beiden Seiten der Frontlinie“, sagt Krumm. Es gebe deshalb auch nicht nur eine Gesinnung zum Thema, sondern die Veranstaltung sei offen für verschiedene Meinungen. Ihr ist es wichtig, „dass wir gut miteinander umgehen“. Entsprechend soll sich die Meinungsvielfalt auch in den Redebeiträgen ab 17 Uhr niederschlagen. Für das Podium zugesagt haben mit jeweils dreiminütigen Wortbeiträgen die CDU-Bundestagsabgeordnete Diana Stöcker, der Landtagsabgeordnete der Grünen, Joshua Frey, SPD-Landtagsabgeordneter Jonas Hoffmann, außerdem Landrätin Marion Dammann und Bürgermeister Dirk Harscher, zudem Dekanin Bärbel Schäfer, Pfarrer Martin Schmitthenner und Diakon Andreas Leimpek-Mohler.


Von der ukrainischen Seite wurde ein Gastbeitrag angefragt, aber es gab wohl keine positive Rückmeldung. Nochmal Ulrike Krumm: „Angesichts einer drohenden Großoffensive in der Ukraine und einer möglichen weiteren Flüchtlingswelle ist es uns wichtig, das Thema im Bewusstsein zu halten.“ Diakon Fritz Schmidt denkt auch an die Sorgen und Ängste der Menschen hier, wohin der Krieg in der Ukraine noch führen soll. Er selbst sei sprachlos und meint damit auch ratlos. Wie könne man seine Betroffenheit zum Ausdruck bringen, fragt er und gibt selbst die Antwort: „Da kommt nur die Kirche als unverfänglicher Veranstalter in Betracht.“ Für musikalische Zwischentöne werden beim Gedenken Jörg und Joachim Wendland sorgen. Auf dem Flyer zur Kundgebung kommt ein alter kirchlicher Slogan aus den 80er Jahren zu trauriger neuer Relevanz: „Schwerter zu Pflugscharen.“ Die Veranstalter rechnen mit mindestens 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.


Termin der Veranstaltung: 24. Februar, ab 17 Uhr, Marktplatz Schopfheim.