Schwetzinger Zeitung, 20.01.2023

 

„Es geht um Zahlen, aber vor allem um Menschen“

Evangelische Kirche: Informationsabend zum Strategieprozess „ekiba2032“ sorgt in der Christuskirche für verantwortungsvollen Austausch

Oftersheim. Als Naturwissenschaftler müsse er zur Einstimmung sagen: „Das Thema ist komplex und hochgradig mehrdimensional.“ Dr. Holger Lehmann, Kirchenältester aus Walldorf und Bezirkskirchenrat, beginnt in der Oftersheimer Christuskirche den Informationsabend für alle Kirchenältesten der Südlichen Kurpfalz mit Erläuterungen zum Strategieprozess „ekiba2032“. Mehr als ein Jahr dauern sie bisher, die Überlegungen zu einer zukünftigen Verteilung von Ressourcen für die Evangelische Kirche in der Region. „Es geht um Zahlen, aber es geht eben auch und vor allem um Menschen, um Gemeindemitglieder, um Christen, um unsere christliche Gemeinschaft“, konstatiert Lehmann.

Klimagerechte Kirchen und Gemeindehäuser bis 2040 zu finanzieren, das ist eine der Herausforderungen des Prozesses „ekiba2032“. 1960 fand die kirchliche Arbeit in der Evangelischen Landeskirche Baden in 1300 Gebäuden statt bei 1,3 Millionen Mitgliedern. Heute, im Jahr 2023 bei 1,1 Millionen Mitgliedern, gibt es 2100 Gebäude zu bewirtschaften. Bei einem zu erwartenden Mitgliederschwund von fast 50 Prozent bis 2060 sind diese Gebäude einfach nicht mehr zu finanzieren.

Baulast der Stiftung Schönau

Dekanin Annemarie Steinebrunner nennt den Anwesenden die genauen Zahlen. „Im Kirchenbezirk Südliche Kurpfalz gibt es zurzeit 45 Kirchen und Gemeindehäuser. Bei fünf Kirchen besteht eine mehr als 70-prozentige Baulast der Stiftung Schönau. Diese Kirchen bekommen automatisch die Farbe hellgrün und werden vom Bezirk nicht mehr klassifiziert. Von den 40 verbleibenden Gebäuden in unserem Bezirk bekommen 15 die Farbe grün. Das bedeutet: Diese Gebäude sollen langfristig gehalten werden. Sie sollen attraktiv sein, energetisch saniert und vielfältig genutzt werden. Grüne Gebäude werden weiter von der Landeskirche mitfinanziert. 13 Gebäude müssen die Farbe rot bekommen. Rot bedeutet, dass diese Gebäude nicht mehr von der Landeskirche mitfinanziert werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit roten Gebäuden umzugehen: Andere Finanzierungskonzepte, Kooperationspartner finden – ökumenisch, kommunal. Oder verwerten oder verkaufen“, sagt Steinebrunner.

Kürzungen im Personalbereich

Die Kürzungen im Personalbereich werden kommen. Darin sind sich Dr. Holger Lehmann und Annemarie Steinebrunner bei ihren Ausführungen einig. Die Reduzierungen erstrecken sich über einen Zeitraum von 2026 bis 2036. Bis zum Januar 2026 müssen von den 29,5 Pfarrstellen 1,5 Stellen gekürzt werden. Bis Januar 2032 erfolgt eine weitere Reduzierung um drei Stellen, bis Januar 2036 noch einmal eine Reduzierung um drei Stellen, dann sind es rechnerisch noch 22 Pfarrstellen.

Für die Diakonstellen soll eine Kürzung von 10,25 auf 7,5 Stellen bis 2036 erfolgt sein. Im Bereich Stellenplanung ist eine andere Thematik schwerwiegend. „Selbst wenn wir alle Stellen wieder ausschreiben könnten, es gäbe auf einige wahrscheinlich noch nicht einmal eine Bewerbung“, schildert Lehmann das zu erwartende Nachwuchsproblem bei kirchlichen Berufen.

Deshalb ist es wichtig, in Kooperationsräumen die kirchliche Arbeit anders aufzuteilen. Vier Kooperationsräume wird es geben. Die geplanten Personalzahlen für die jeweilige Region werden zusammen mit der Gebäudebewertung den Besuchern ausführlich vorgestellt.

„Dieser Entwurf ist nicht in Stein“ gemeißelt“, betont Dekanin Steinebrunner, „vor dem Sommer wird es auch keine letztgültige Entscheidung geben, weil wir dann erst die regionalen Visitationen in allen vier Kooperationsräumen hatten und wissen, welche Ziele sich die Gemeinden in der regionalen Zusammenarbeit gesetzt haben und was dafür gebraucht wird.“

Nach den einführenden Worten begeben sich die Verantwortlichen in ihre Gesprächsrunden in die jeweiligen Kooperationsräume. Mitglieder der Strategiegruppe und des Bezirkskirchenrates stellen sich den Fragen und Anliegen aus allen Kirchengemeinden.

Die „rot“ bewerteten Gebäude, die Unsicherheit bei „gelber“ Bewertung. Die doch stark reduzierte Anzahl von Hauptberuflichen auf den vorgelegten Plänen – das wirft unzählige Fragen auf und entsetzt auch einige Anwesende. „Wir können es anders nicht mehr bezahlen“, wirft ein Mitglied der Strategiegruppe ein. Es ist allen vollkommen bewusst, wie schmerzhaft diese Einschnitte sein werden.

„Denken für die Region“

Immer wieder ist ein zentraler Satz zu hören: „Wir müssen für die Region denken und nicht nur für die eigene Gemeinde.“ Jede Kirchengemeinde wird weiterhin ein Gesicht haben, sprich eine Ansprechperson vor Ort.

In Oftersheim sind es mit den beiden Pfarrern Dr. Simon Layer und Tobias Habicht sogar zwei, das ist freilich eine Ausnahme.

In jeder Region wird ein großes Gemeindehaus bleiben. Diakoninnen und Diakone werden stärker in der Region arbeiten, aber dennoch nach wie vor in einer Kirchengemeinde verortet sein.

Die Generationen unter den Anwesenden reagieren unterschiedlich auf die Herausforderungen der gekürzten Zahlen. Junge Kirchenälteste erzählen eher von Chancen, die eine überregionale Arbeit bietet. In einigen Regionen sind Jugendliche es gewohnt, in andere Ortschaften zu fahren. Sie begegnen sich sowieso in derselben Schule. Ältere dagegen haben eine langjährige Bindung zu ihrer Kirche am Ort. Da wurde Zeit und Liebe in die eigene Gemeinde investiert und die Kirchengebäude sind für viele Menschen eng mit ihrer Heimat und Lebensgeschichte verbunden. Die Gespräche verlaufen deshalb ernst und verantwortungsvoll.

Vorgaben der Landeskirche

Die Entwurfszahlen sind nun auf dem Tisch. Jede Region hat die Möglichkeit, innerhalb der Parameter eines Kooperationsraumes Änderungen vorzuschlagen. Wichtig bleibt, den gesetzten Rahmen der Landeskirche einzuhalten. In den nächsten Monaten werden unterschiedliche Gespräche stattfinden, bevor Ende 2023 der mit allen besprochene Plan an die Landeskirche weitergegeben wird. Schuldekanin Christine Wolf gibt am Ende der Gespräche Ausblick auf die weiteren Schritte, die mit einer Bezirkssynode am 11. November 2023 enden werden.

Der Glaube gibt Orientierung und Christen brauchen Gemeinschaft. In welchen Gebäuden kirchliches Leben stattfindet, ist wichtig, aber eben nicht allein entscheidend. Die ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitenden machen sich gemeinsam auf den Weg, um Kirche auch 2032 zukunftsfähig und finanzierbar zu gestalten. zg

Weitere Informationen unter www.ekisuedlichekurpfalz.de