„Ich wünsche mir, dass die Kirche im Dorf bleibt“
Rauenberger Gemeindehaus der Paulusgemeinde soll keine Kirchensteuermittel mehr erhalten – Droht wegen Sanierungsstau das Aus?
Von Benjamin Starke
Malsch/Rauenberg. Es war ein Musterprojekt der aufstrebenden evangelischen Gemeinden, das Gemeindehaus in Rauenberg an der Ecke von Hauptstraße und Mühlgasse, das Anfang der 1990er Jahre eingeweiht wurde. Nun droht dem Haus – ebenso wie den evangelischen Gemeindehäusern in Baiertal und Frauenweiler – das Aus. Das wurde bei einer Gemeindeversammlung in Malsch bekannt, zu der sich rund drei Dutzend Gläubige eingefunden hatten. Grund dafür ist der Strategieprozess der Badischen Landeskirche (siehe Artikel unten), bei dem auch ein Gebäudekonzept erarbeitet wird. Die drei betroffenen Gebäude – so der Vorschlag – sollen zukünftig nicht mehr mit Mitteln aus der Kirchensteuer unterhalten werden.
Für diese Häuser können die Gemeinden entweder andere Finanzierungskonzepte oder Kooperationspartner finden, oder sie werden verwertet, in dem sie verkauft werden, heißt es vom Wieslocher Dekanat der Evangelischen Kirche Südliche Kurpfalz. Während das Gebäude in Frauenweiler mit dem benachbarten ehemaligen Pfarrhaus bereits verkauft und nur bis 2025 von der Kirchengemeinde zurück gemietet wurde, ist das Haus in Baiertal schon lange geschlossen. Die Gemeinde habe das Haus schon längst aufgegeben und eine Sanierung sei nicht geplant, heißt es aus dem Dekanat.
Während Frauenweiler und Baiertal also alte Entscheidungen sind, kam das Gemeindehaus Rauenberg neu hinzu. Und hier dürften sich für andere Finanzierungskonzepte deutliche Schwierigkeiten ergeben: Steffen Rotsch vom Bauausschuss der Paulusgemeinde sprach in der Gemeindeversammlung von einem Renovierungs- und Sanierungsstau beim 30 Jahre alten Gemeindehaus. Ein energetisches Gutachten habe ergeben, dass die blaue Holzfassade des Sakralbereichs und alle Fenster erneuert werden müssten. Zudem mache das Dach überraschenderweise größere Sorgen als gedacht: Ein Großteil der Ziegelpfannen sei gerissen und dadurch undicht, weshalb Regenwasser eindringe. Eigentlich müssten die Ziegel ersetzt werden, aber das Modell gebe es nicht mehr, zudem müsste der unter den Ziegeln liegende Holzdachstuhl erneuert werden, so Rotsch.
Bei der Gemeindeaussprache schlugen die Wogen dann auch teilweise hoch. Da war zu hören, dass in Rauenberg und Rotenberg mit rund 1130 Gemeindemitgliedern die meisten Gläubigen wohnten – im Gegensatz zu etwa 300 Mitgliedern in Malsch – und jenen das Gemeindehaus genommen werde. Zudem wurde kritisch die Frage in den Raum gestellt, ob man bewusst in den letzten Jahren das Haus in Rauenberg mit der Instandhaltung vernachlässigt habe und sich allein auf den Neubau in Malsch konzentriert habe. Und nun als Folge das Haus nach 30 Jahren aufgegeben werden solle: „Ich wünsche mir, dass die Kirche im Dorf bleibt!“, hieß es von Teilnehmern.
Es gab aber auch andere Stimmen: „Das ist ja Wahnsinn, was wir in den nächsten Jahren finanziell in unsere Gebäude stecken müssten, das Geld ist für Gemeindeprojekte notwendiger!“ Spontan entstanden erste Zukunftsideen, etwa ein Gemeindebus, um Mitfahrgelegenheiten zu ermöglichen, oder die Zusammenarbeit mit katholischen Gemeinden, Volkshochschulen und politischen Gemeinden neu zu denken. Die Gemeindejugend appellierte, den Glauben für junge Menschen in der neuen pastoralen Region aktiv zu gestalten und gute Angebote zu machen.
Pfarrerin Sandra Alisch sieht in der Notwendigkeit der massiven Reduktion die Möglichkeit zur Transformation, um sich also für die Zukunft zu rüsten. „Auch 2032 wollen wir evangelische Kirche erfahrbar machen und Menschen sollen sich in unserer Gemeinde mit der Kirche verbunden wissen. Dies bedeutet aber auch ein ,einfaches Weiter-so wie bisher’ kann es nicht geben!“
Die evangelische Landeskirche Baden befinde sich gerade mit ihrem „Strategieprozess Ekiba 2032“ im größten Transformations- und Reduktionsprozess ihrer Geschichte, so Gemeindepfarrerin Sandra Alisch bei der Versammlung. 1960 seien rund 1,3 Millionen Gläubige mit 1300 Gebäuden in der Badischen Landeskirche organisiert gewesen, es habe sich eine Phase des Aufbruchs und des Wachstums angeschlossen. Heute, 2023, gehören der Landeskirche 1,1 Millionen Christen an, denen 2100 Gebäude zur Verfügung stehen. Inzwischen habe sich der Trend umgekehrt, bis 2060 erwarten die beiden großen Kirchen in Deutschland einen Rückgang der Mitglieder um rund 50 Prozent. Der demografische Wandel mache sich genauso stark bemerkbar wie andere Faktoren, so eine Freiburger Studie aus dem Jahr 2018 – dies beinhalte auch eine Halbierung der Kirchensteuermittel.
Deshalb verordnet der Karlsruher Oberkirchenrat seinen Kirchenbezirken mit dem Strategieprozess eine Rosskur in den Bereichen Personal- und Gebäudestruktur. Die Region Südost im Kirchenbezirk südliche Kurpfalz umfasst die Kirchengemeinden in St. Leon-Rot, Walldorf, Wiesloch mit Rauenberg und Malsch, Baiertal mit Dielheim sowie Schatthausen. Wie die neue pastorale Region strukturell und verwaltungstechnisch künftig aufgestellt werde, sei noch offen: „Ich kann noch nicht absehen, ob die neue Region auch eine neue Großkirchengemeinde wird, dies lässt die Landeskirche noch offen“, so Alisch.
Jede Region hat zudem ein Gebäudekonzept bis September 2023 zu erstellen, welches alle kirchlichen Gebäude in ein Ampel-Konzept mit drei Stufen einordnet, die jeweils rund ein Drittel groß sein müssen: „Grüne“ Gebäude sind klimagerecht zu sanieren und bleiben erhalten. Bei „gelben“ Gebäuden ist bis 2050 zu klären, ob und wie sie erhalten werden, in der Region gehören dazu das Walldorfer Gemeindehaus sowie die Kirche und das Gemeindehaus in Schatthausen. „Rote“ Gebäude erhalten ab 2024 keine Kirchensteuerzuweisungen mehr, die in Rauenberg, Frauenweiler und Baiertal gehören dazu.