Rhein-Neckar-Zeitung - Heidelberger Nachrichten, 16.01.2023

 

Das Rätsel um das übermalte Fenster bleibt

Mit einem Festgottesdienst wurde die Renovierung der Providenzkirche abgeschlossen – Sie war einst ein Geschenk des Kurfürsten Karl Ludwig an seine geliebte Luise

Von Diana Deutsch

Die Augen des Heilands in der Providenzkirche sind immer noch geöffnet. Doch wirkt er viel strahlender und sphärischer als vor der Sanierung des Südfensters. Es fällt jetzt schwer, den Blick von dieser lichtumflorten Gestalt abzuwenden. Ein volles Jahr hat die Aufarbeitung des Fensters in Anspruch genommen, wobei sich herausstellte, dass es sich nicht mehr um das Original von 1843 handelt, sondern um eine Übermalung aus den 1980er-Jahren. Sie hat das Gesicht Christi völlig verändert. „Das ist nicht mehr rückgängig zu machen, ohne das Fenster zu zerstören“, sagte die Restauratorin am Sonntag bei der Einweihung der „neuen“ Providenzkirche. Eine Nachricht, die die Gemeinde aufatmen ließ. Ein Christus, der die Menschen anblickt, ist ihnen doch viel näher, als einer, der in sich gekehrt meditiert.

Die Geschichte des Christusfensters in Providenz hört sich an wie ein Krimi, der noch immer seiner Auflösung harrt. Betrachtet man alte Fotografien vom Innenraum der Kirche, so sieht man im zentralen Südfenster einen zarten pastellfarbigen Heiland, der mit geschlossenen Augen im Himmel schwebt. Das tat er auch nach der letzten großen Renovierung der Bleiglasfenster im Jahr 1976 noch. „Die Firma, die die Renovierung ausgeführt hat, schwört, dass sie den Christus mit geschlossenen Augen wieder eingebaut hat“, berichtete Dunja Kielmann, die zuständige Restauratorin beim Landesdenkmalamt beim Festgottesdienst.

Doch woher stammt dann das veränderte Gesicht? Woher die Bleiruten auf Händen und Füßen? Woher die Wolken? Niemand konnte das bislang herausfinden. „Es gab viele Hinweise und Theorien, aber keine hat sich bewahrheitet“, erzählte Pfarrer Mirko Diepen. Eine Zeit lang glaubte man sogar, dass die amerikanischen Soldaten, deren Garnisonskirche Providenz nach dem Krieg war, die Veränderung vorgenommen hätten. Aber: „Die Übermalungen sind definitiv erst nach 1976 aufgetragen worden“, sagte die Restauratorin.

Die Providenzgemeinde und ihre Ältesten haben das Rätselraten jetzt aufgegeben. Sie freuen sich nur noch an ihrer frisch restaurierten Kirche. Diese Begeisterung beim Gottesdienst war spürbar. Der blendend aufgelegte Chor Vocalissimo unter Leitung von Klaus Petzel hüllte den historistischen Kirchenraum in jubelnde Klänge. Und das Pfarrerehepaar Imke und Mirko Diepen predigte über die heilende Wirkung des göttlichen Lichts. „Wir kommen von draußen herein aus unserem kalten Leben, mit all dem, was uns bewegt“, sagte Mirko Diepen. „Dann sehen wir diese offenen, segnenden Arme, die strahlende Farben und diesen intensiven Blick. Und alles ist anders.“ Selbst wenn diese Art der Malerei nicht dem eigenen Geschmack entspreche, fühle man sich nicht doch sofort umhüllt von der Liebe Gottes.

Die Providenzkirche war das erste Heidelberger Gotteshaus, das sich nicht nach Osten, sondern nach Süden ausrichtete. Das war ein klarer Bruch mit der Tradition des katholischen Mittelalters, das die Auferstehung im Osten verortete. Es war nicht die einzige Eigenwilligkeit, die sich Kurfürst Karl Ludwig erlaubte. Er hat es sich 1657 auch gestattet, die junge Luise von Degenfeld „zur linken Hand“ zu heiraten, obwohl seine erste Frau nie in eine Scheidung eingewilligt hat. 13 Kinder, allesamt nicht erbberechtigt, sind aus der Beziehung zwischen Karl Ludwig und Luise hervorgegangen. Die Providenzkirche war das Hochzeitsgeschenk des Kurfürsten, der calvinistisch glaubte, für seine Luise, die Lutheranerin.

Innen war Providenz eine Sensation. Wuchtige Emporen umrahmten das Kirchenschiff, nur die östliche Wand des Langhauses blieb leer. Sie gehörte allein der Kanzel. Der Altar stand vorne im Chor. Direkt darüber hing die mächtige Orgel. Der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688–1697) zerstörte alles, von der Providenzkirche blieben nur die Grundmauern. 50 Jahre später entstand der Neubau im Stil des Barock mit Mansarddach und Zwiebelturm. Die Orgel hing als Empore über dem Altar. Erst 1843 beim Umbau zum Historismus wanderte sie auf die Rückempore. Die Südwand ziert seither das große Christusfenster.

Das Fenster sei ein Segen für die Providenzkirche, sagte Pfarrerin Imke Diepen. „Dieser Jesus sieht uns direkt in die Augen und erkennt dabei alle unsere Konflikte, unsere Sorgen und Probleme.“ Das gebe neue Hoffnung, neue Ausrichtung und neue Kraft. Der strahlende Heiland im Fenster wirke wie ein „Licht, das durch uns hindurchleuchtet und neu ausrichtet auf die Quelle, aus der das Licht des Lebens stammt.“