Badische Zeitung Bad Säckingen, 27.12.2022

 

Ukraine-Krieg überschattet Weihnachtsgottesdienste

Ein starker Anstieg von Kirchenaustritten wird für das Jahr 2022 vermeldet. An Weihnachten scheint das Bedürfnis nach religiösen Traditionen und Bräuchen in Bad Säckingen, Wehr und Öflingen jedoch ungebrochen.

Bad Säckingen/Wehr Eines großen Zuspruches erfreuten sich die Veranstaltungen zum Weihnachtsfest. Eine hoffnungsvoll stimmende Botschaft kann die Welt in der krisengeschüttelten Gegenwart wohl gut gebrauchen. In den Gottesdiensten legten die Geistlichen dar, wie sich in der Weihnachtsgeschichte eine solche Energiequelle finden lässt.
Bad Säckingen Die Energiekrise war an Heiligabend schwerlich zu übersehen, denn beim Turmblasen in Bad Säckingen blieb die Münsterbeleuchtung ausgeschaltet. Bei einbrechender Dämmerung war der gut besuchte, aber nicht überfüllte Platz von den Kerzen erhellt, die die Besucher mitgebracht hatten. Eine Abordnung der Stadtmusik sorgte mit Weihnachtsliedern für eine besinnliche Stimmung. Mit meditativer Orgelmusik wurde die Christmette um 23 Uhr eingeleitet, die etwas weniger gut besucht war, als man es in der Vor-Corona-Zeit gekannt hatte: Während das Mittelschiff recht voll war, blieben in den Seitenschiffen ganze Bänke frei.
Schon Jahrhunderte vor der Geburt Christ hatten Propheten wie Jesaja das Kommen eines Retters angekündigt. „Diese Verheißung ist Fleisch geworden“, so Dekan Peter Berg, auch wenn die Gegenwart nicht erfreulich aussehe: Die Corona-Krise sei noch immer nicht überwunden, und schon seien neue Kriege und Krisen ausgebrochen. Er rief dazu auf, in Verbindung mit Christus zu leben und sich von der Botschaft der Liebe inspirieren zu lassen.
In der evangelischen Stadtkirche feierte der neue Pfarrer Hans-Georg Ulrichs vor 50 Besuchern den Weihnachtsgottesdienst, der vom Posaunenchor unter Leitung Jürgen Thuns festlich umrahmt wurde. Die Gottesdienstordnung schrieb als Grundlage für die Predigt einen etwas sperrigen Text vor, den Stammbaum Christi, den Matthäus zu Beginn seines Evangeliums ausbreitet. Es gelang Ulrichs, die drei Mal 14 Generationen umfassende Abstammungsgeschichte – von Abraham über König David bis zu Joseph, dem Mann der Maria – anschaulich zu vermitteln und die Kernbotschaft für alle verständlich herauszudestillieren. „Matthäus wollte klar machen: Bei Jesus Christus geht es um das Ganze.“ Trotz der Referenzen auf Abraham und David bleibe die theologische Botschaft nicht exklusiv auf das Volk Israel beschränkt, Abraham sei der erste Konvertit gewesen. „Die Vorväter weisen über die engen Begrenzungen der eigenen Religion hinaus.“ Jesus gehöre zwar in diese Tradition hinein, aber „durch unseren Glauben an Christus sind wir Teil dieser Gottesgeschichte, Teil der Familie Gottes geworden.“
WehrGute Aussichten darauf, sich als fester Termin am Heiligen Abend im Jahreskalender der Kirchengemeinden zu etablieren, hat das neue Weihnachtssingen auf dem Griener-Hof in Öflingen. „Ein überwältigender Besuch“, begeisterte sich Martina Hinnenberger vom Gemeindeteam St. Ulrich bei der Begrüßung der vielen Besucher, die den Weg zum Griener-Hof gefunden hatten. Für die musikalische Umrahmung sorgte die Jugendkapelle des Musikvereines Öflingen unter der Leitung von Dirk Strittmatter, die traditionelle Weihnachtslieder anstimmte. Die Gäste stärkten sich bei selbst gemachten Weihnachtsplätzchen und Glühwein. Mit dem Erlös unterstützt das Gemeindeteam St. Ulrich Geschädigte der Hochwasserkatastrophe in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Dass das traditionelle Krippenspiel mit lebendigen Tieren vor der Kirche St. Ulrich der Vergangenheit angehört, scheint keine große Trauer auszulösen. Die Kinder hatten auf dem Griener-Hof ausreichend Gelegenheit, sich am Anblick von Ziegen, einem Esel und anderem Nutzvieh zu erfreuen. Die katholische Gemeindereferentin Carmen Horvatic will in der neuen Veranstaltung sogar Wachstumspotential ausgemacht haben.
Volle Kirchen brachten die Krippenspiele der beiden christlichen Kirchen. Mit Beifall bedachten die Besucher die Vorführung der Krippenspielgruppe in der katholischen Kirche St. Martin. Ein kräftiges Lebenszeichen zu Weihnachten sandte die evangelische Gemeinde in Öflingen aus. Mit einem gut besuchten Krippenspiel in der in das Eigentum der Stadt Wehr übergegangenen Christuskirche bekräftigte die Gemeinde ihr angekündigtes Vorhaben, das Haus weiterhin für einzelne Gottesdienste zu nutzen.
Die Weihnachtszeit ist für Christen zwar eine Zeit der Freude und der Hoffnung. Es fehlte jedoch auch nicht an ernsten Gedanken, die das Schicksal vieler anderer Menschen in der Welt im Blick haben. So erinnerte die evangelische Kirchengemeinderätin Petra Münzer an die „alltäglichen Ängste“, denen Menschen etwa durch Verunsicherungen aufgrund von Krieg oder der drohenden Energiekrise ausgesetzt seien. Tränen treibe es dem Menschen angesichts des „unmenschlichen und furchtbaren Krieges in der Ukraine“ in die Augen, betonte der katholische Pfarrer Matthias Kirner. „Weihnachten ist eine Liebeserklärung an die Menschen“, stellte Pfarrer Peter Hasenbrink im evangelischen Weihnachtsgottesdienst fest. Gottes Liebe sei nicht „im Alleingang“ zu erhalten, sondern bedürfe der Gemeinschaft, die auch im Annehmen und Versorgen von geflüchteten Menschen ihren Ausdruck finden müsse.