„Ängste“ haben keine Chance
Heddesheim: Weihnachtliches Musical über Martin Luther und die Reformation in der Evangelischen Kirche
Von Martin Tangl
Für seine Fans ist er ein „Glaubensheld“, für seine Gegner ein „Scharlatan, der auf den Scheiterhaufen gehört“. Martin Luther und die Reformation stehen im Mittelpunkt eines weihnachtlichen Musicals der Evangelischen Kirche in Heddesheim. Nach der Premiere am Freitagabend können sich am Samstag um 15.30 Uhr große und kleine Zuschauerinnen und Zuschauer in gut einer Stunde unterhaltsamen Theaters mit viel Musik auf Heiligabend einstimmen.
„Es geht um den Kampf gegen die Angst, eine bunte Geschichte mit Witz“, kündigt Pfarrer Dierk Rafflewski an. Besonders für Kinder habe er die Geschichte und die Texte zum Lutherjahr 2019 geschrieben und schon einmal inszeniert. Jetzt zum Kirchenjubiläum habe er einige besondere Effekte zusätzlich eingebaut, sagt Rafflewski im Gespräch mit dieser Redaktion. Für die Vertonung sorgen Jessica Lindenberger und Henning Scharf. „Das war zeitlich recht straff, wir hatten gut zu arbeiten nach den Herbstferien“, berichtet die vielseitige Musikerin von „Jester‘s Garden“.
Donner und Blitz als Mahnung
Die „Ängste“ spielen nicht nur gesanglich eine tragende Rolle in „Martin Luther und die gute neue Mär“. Lange prägen sie das Leben des kleinen Martin, gespielt von Korel Düzgün. Schon als zu Beginn der Nikolaus mit Knecht Ruprecht auf der Bühne im Altarraum der Kirche auftaucht, versteckt er sich unter dem Tisch. Denn die „Ängste“ singen: „Hat beim Essen laut geschmatzt, ungeniert am Po gekratzt!“ Auch weil Martin nicht aufgeräumt und in der Schule nur geträumt hat, droht ihm die Rute.
16 Jahre später wanken lustige Studenten auf die Bühne, locken Luther mit weltlichen Genüssen, denn „manche wollen statt zu streben, erstmal süß und locker leben“. Doch dann bringen Donner und Blitz den jungen Martin, in der Schlüsselszene verkörpert von Mara Weiß, auf den rechten Weg: „Wenn Du mich leben lässt, will ich Mönch werden!“ Die „Ängste“ sind begeistert.
Im Kloster nimmt die Geschichte eine weitere Wendung. Während seine Mönchsbrüder noch von „ora et labora“ singen, Martin voller Zweifel steckt, lässt ihn Bruder Johann den Römerbrief des Paulus lesen. Der Apostel weiß, „dass Gott verzeiht, wie der Vater dem verlorenen Sohn“. Und Martin erkennt aus dem Off auf der Toilette: „Ich muss nur zu meinen Fehlern stehen und mich der Liebe Gottes anvertrauen!“ Im Hintergrund rauscht symbolisch die Klospülung: „Wie wird mir auf einmal so leicht!“ Die „Ängste“ geraten langsam in Panik. Denn Luther schlägt mit lauten Hammerschlägen seine berühmten 95 Thesen an die Kirchentür von Wittenberg – und findet immer mehr Anhänger.
Die braucht der Reformator auch, als er, jetzt gespielt von Maxim Heilmann, am Reichstag zu Worms 1521 vor Kaiser Karl V. („Ach ja, das freche Mönchlein“) widerrufen soll. Die „Ängste“ wollen Martin auf dem Scheiterhaufen sehen. Doch Luther spricht die bekannten Worte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir!“ Die „Ängste“ fallen frustriert um, die Fans recken die Fäuste zum Himmel: „Es lebe die Reformation!“ Es erklingt: „Eine feste Burg ist unser Gott!“
Eigentlich wäre nun die Geschichte in ihrem locker modernisierten Format erzählt, doch Autor Dierk Rafflewski, der 20 Jahre später selbst den Martin Luther als Familienvater gibt, hat sich zum Finale noch etwas Besonderes einfallen lassen. Den Nikolaus hat er abgeschafft, jetzt kommt das Christkind zur Weihnachtszeit: „Vom Himmel hoch, das komm ich her. . .“ gefällt allerdings seinen Kindern Johannes und Katharina nicht: „Ehrlich Papa, Du wirst alt!“ Und tatsächlich, Jumana Würz und Kira Schiele rappen plötzlich mit der „coolen Botschaft“ zum Christfest los, die Kirche wird von einem fetzigen Rhythmus erfüllt, schließlich singt die ganze Truppe auf der Bühne den Song.
Denn schon Luthers Kids wissen: „Die Kirche muss sich immer reformieren, der Jugend aufs Maul schauen – und auch die Weihnachtsbotschaft immer neu zum Ausdruck bringen.“ Das gelingt den 51 Darstellerinnen und Darstellern auf beeindruckende Weise. Und die „Ängste“ haben keine Chance mehr.
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