Badische Zeitung Lörrach, Weil am Rhein, 31.12.2022

 

Gotteshaus, Turnhalle, Konzertsaal und mehr

Mit dem Auszug der Schwestern aus dem Heitersheimer Malteserschloss verliert die Schlosskirche ihre Funktion als Kirche. Ein eher seltener Vorgang, doch es gibt weitere Beispiele für profanierte Kirchen in der Region.

Markgräflerland Mit der zunehmenden Säkularisierung und dem Mitgliederschwund bei den beiden Volkskirchen wird auch der Bedarf an Gotteshäusern geringer. Dass Kirchen zu weltlichen Gebäuden werden, ist dennoch ein Vorgang, der eher in Großstädten als auf dem Land zu beobachten ist. So hat die Evangelische Landeskirche Baden in Freiburg 2016 und 2017 drei Kirchen verkauft, wobei bei der Thomaskirche eine Wiederanmietung geplant ist. Die Anzahl der profanierten Kirchen im Gebiet des Erzbistums Freiburg in den vergangenen Jahren bewege sich im „niedrigen, eher einstelligen Bereich“, sagt Marc Mudrak, Sprecher der Erzdiözese.
Den Rückgang der Gläubigenzahlen als alleinigen Grund dafür anzuführen, dass Kirchen aufhören, Kirchen zu sein, ist allerdings zu simpel. Beim aktuellen Beispiel in Heitersheim hatte die Schlosskirche eine besondere Funktion als geistliche Heimat der Schwestern des Vinzentinerinnen-Ordens, die im Malteserschloss ihren Lebensabend verbrachten. Die stetige Verkleinerung des Ordens mündete im Verkauf des Schlosses in diesem Jahr an die Stadt Heitersheim – und damit verlor auch die Schlosskirche ihre Bedeutung.
Sie gehört übrigens gar nicht zum ursprünglichen Schloss-Ensemble, sondern wurde zwischen 1908 und 1910 zusammen mit dem Schwesternhaus im neobarocken Stil von den Vinzentinerinnen errichtet. Die katholischen Gläubigen in Heitersheim haben mit der Pfarrkirche St. Bartholomäus ein eigenes Gotteshaus. Dorthin wurde nach dem letzten Gottesdienst im Schloss das Tabernakel der Schlosskirche gebracht.
Die eigentliche Profanierung, die auf Antrag und nach eingehender Prüfung erfolgt, ist ein kirchenrechtlicher Akt. Zum Abschluss erlässt bei den Katholiken der Erzbischof ein entsprechendes Dekret. Bei den Protestanten wird übrigens nicht von Profanierung, sondern von Entwidmung gesprochen. „Das spezielle sakrale Verständnis kirchlicher Räume teilt die Evangelische Kirche nicht“, erklärt Daniel Meier, Pressesprecher der Evangelischen Landeskirche Baden. Der Prozess der Entwidmung ähnelt aber dem der Profanierung bei der Katholischen Kirche.
In Müllheim gibt es ein prominentes Beispiel, wo nicht der Rückgang der Kirchenmitgliederzahl eine Entwidmung auslöste, sondern das Gegenteil: Der Aufschwung Müllheims als badisches Amtsstädtchen im 19. Jahrhundert führte dazu, dass die Protestanten sich ein größeres – und repräsentativeres – Gotteshaus wünschten als die Martinskirche. Also wurde im neogotischen Stil die Stadtkirche gegenüber dem Amtsgericht gebaut und die Martinskirche, die lange Zeit auch die Kirche des Müllheimer Dekans war, 1881 entwidmet.
Die Martinskirche, die als kulturhistorisch sehr wertvoll gilt und deren Turm das älteste erhaltene Bauwerk (aus dem 12. Jahrhundert) von Müllheim ist, erfuhr in der Folge zunächst eine wechselvolle Geschichte: Sie war Lagerraum, beherbergte Gewerbeausstellungen, war Kriegsgefangenenlager und wurde 1921 zur städtischen Festhalle, bevor Mitte der 1970er-Jahre diese Funktion das neu gebaute Bürgerhaus übernahm. Nach Sanierung und Sicherung römischer Überreste unter der Martinskirche wurde sie zu einem Ort für Kulturveranstaltungen. Vor allem von Musikern und Musikliebhabern wird sie sehr geschätzt wegen ihrer ausgezeichneten Akustik.
Eine Nachnutzung wie bei der Martinskirche heute erscheint für ein Kirchengebäude gut passend. Eine Folgenutzung zu erreichen, „die dem kirchlichen Auftrag, das Evangelium in Wort und Tat unter die Leute zu bringen, nicht widerspricht“, wie es Daniel Meier formuliert, versuchen beide Kirchen zu erreichen, wobei hier natürlich einiger Interpretationsspielraum besteht.
Ist etwa sportliche Betätigung in einer ehemaligen Friedhofskapelle eine „passende“ Nachnutzung? Genau das ist jedenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Margarethenkapelle in der Müllheimer Unterstadt passiert. Auf die Nutzung der Kapelle als Turnhalle verweist übrigens heute noch eine gleichnamige Bushaltestelle und eine Pizzeria, was Ortsfremde regelmäßig irritiert, weil sie weit und breit keine Turnhalle entdecken können.
Auch die Margarethenkapelle hat eine sehr wechselvolle Geschichte, ihr offizieller Profanierungs- beziehungsweise Entwidmungsstatus ist derzeit laut Auskunft von Müllheims Stadtarchivar Steffen Dirschka unklar. Als Anfang des 19. Jahrhunderts die Zahl der Katholiken im traditionell protestantischen Müllheim immer weiter zunahm, stellte die Stadt ihnen die Margarethenkapelle zur Verfügung, die zu diesem Zeitpunkt schon keine Friedhofskapelle mehr war. Seit 1837 wurden die Müllheimer nicht mehr dort begraben, sondern auf einem neuen Friedhof an der Hügelheimer Straße, der heute Müllheims „Alter Friedhof“ ist.
Das Provisorium für die Katholiken in der Unterstadt währte keine 30 Jahre. 1878, also ungefähr in dem zeitlichen Kontext, in dem auch die evangelische Stadtkirche entstand, wurde die neue katholische Herz-Jesu-Kirche an der oberen Werderstraße eingeweiht. Die Margarethenkapelle erfuhr in der Folge unterschiedliche Nutzungen. Neben dem erwähnten Turnen bot sie unter anderem eine Zeitlang auch Räumlichkeiten für das Rote Kreuz.
Zuletzt erfüllte die Kapelle wieder sakrale Zwecke. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde (die in Baden den Status einer Freikirche hat) in Müllheim feierte hier ihre Gottesdienste. Heute steht die Kapelle leer und ist wegen Baufälligkeit nicht zugänglich. Eine Sanierung für eine multifunktionale Nutzung, zum Beispiel durch Vereine, ist geplant.
Eine weitere entwidmete Kirche steht in Sulzburg. Auch sie hat, wie Hanna Jegge vom Sulzburger Kulturamt berichtet, eine bewegte Geschichte. Die ehemalige Stadtkirche in der Ortsmitte wurde 1836 vom badischen Staatsbaumeister Heinrich Hübsch an der Stelle einer früheren Schlosskapelle gebaut – sie galt als eine Art Prototyp für kleine badische Landkirchen. Grund für den Bau war, dass die Kirche des ehemaligen Klosters St. Cyriak im 16. und 17. Jahrhundert stark gelitten hatte und schwer beschädigt nicht mehr als Ort für Gottesdienste taugte.
In den 1960er-Jahren wurde St. Cyriak, die zu den ältesten Kirchen in ganz Baden-Württemberg zählt, umfassend saniert und konnte wieder benutzt werden. Allerdings dauerte es eine kleine Weile, bis dort auch eine Heizung eingebaut wurde, so dass für eine Übergangszeit im Sommer die Gottesdienste in St. Cyriak und im Winter noch in der Stadtkirche gefeiert wurden. Ab 1968 stand sie dann leer. „Über die Folgenutzung wurde lange diskutiert“, sagt Hanna Jegge. Schließlich entschied man sich für die Einrichtung eines Bergbaumuseums, was sich aufgrund der langen Bergbau-Tradition des Städtchens im Sulzbachtal anbot. Die Stadt kaufte 1979 das Kirchengebäude, 1982 wurde das Museum eröffnet.
Doch auch diese Ära steht vor ihrem Ende – Hintergrund ist das aktuelle Gemeindeentwicklungskonzept, das Sulzburgs Ortsmitte neu ordnen und attraktiver machen soll. Im Herbst 2023 soll das Museum schließen, die Bestände werden zunächst eingelagert und ziehen dann in die Keller unter Kirche und Rathaus. Das Kirchengebäude wird an die Gesellschaft „Neue Mitte Sulzburg“ übertragen. Geplant ist dort ein multifunktionaler Treffpunkt für Bürger und Touristen.