Neugierig auf Kirche machen
Neue Wege beschreitet die evangelische Kirchengemeinde in Zeiten des Strukturwandels. Mit Kooperationsräumen will sie darauf reagieren.
Kreis Emmendingen Der gesellschaftliche Wandel macht auch vor der Kirche nicht halt und so arbeitet die evangelische Kirchengemeinde in Emmendingen an einem neuen Miteinander. Neue Gottesdienstformate und übergemeindliche Zusammenarbeit sind zwei Aspekte, die unter dem Oberbegriff der Kooperationsräume Einzug halten. Auch fällt der Abbau von Personalstellen und des Gebäudebestands darunter. Derzeit befinden sich die Gemeinden noch in der Informations- und Beratungsphase, im Herbst soll der Gesamtplan vom Bezirkskirchenrat rechtsgültig beschlossen werden.
Vergangenes Jahr wurde Dekan Rüdiger Schulze für weitere acht Jahre in seinem Amt bestätigt. Eine kurze Zeitspanne im Vergleich zu den rund 13 Jahren, die man sich für die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Strukturwandel und seinen Auswirkungen auf die kirchlichen Gemeinden gesteckt hat. Schulze spricht mit den Worten von Heike Springhart, der Landesbischöfin von Baden, wenn er von einer glaubensheiteren Hoffnungsspur spricht: „Es gibt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Statt sich darauf zu fokussieren, was nicht mehr geht, sollten wir die Chancen sehen, die in der Veränderung stecken.“
Bis Ende dieses Jahres sollen die neuen Kooperationsräume gebildet werden. Konkret bedeutet dies, dass die 27 Pfarr- und Kirchengemeinden in sieben bis acht Kooperationsräume zusammengelegt werden. „Natürlich hat das auch mit wirtschaftlichen Ressourcen zu tun, aber eben nicht nur“, so der Dekan weiter. Ein „Was bringt mir das?“ im Zusammenhang mit Kirche sei gesellschaftlich dann doch etwas kurz gegriffen. „Denn es gibt nach wie vor die Lebensmomente bei den Menschen, wo wir nachgefragt werden“, sagt Schulze und denkt dabei nicht in erster Linie an Hochzeiten und Beerdigungen. Natürlich nehme auch die Kirche wahr, dass sich die Bedürfnisse der Menschen ändern. „Entsprechend flexibler wollen wir uns aufstellen und haben bereits Formate entwickelt, die großen Zulauf verbuchen und von den Menschen angenommen werden. Allein den Sonntagmorgengottesdienst mit traditioneller Liturgie als das Eigentliche zu sehen, greift da sicher zu kurz“, so der 60-Jährige weiter. Mit Youtube- und Zoom-Gottesdiensten beispielsweise habe man vierstellige Abrufzahlen verbucht. Sie können vom heimischen Sofa aus besucht werden und zählen genauso zum neuen kirchlichen Angebot, wie der Pfarrer, der im Sommer in die Festzelte geht. „Wir haben das Glück, sehr kreative Pfarrerinnen und Pfarrer wie auch Gestaltende in den Ältestenkreisen zu haben, die neue Pfade beschreiten“, sagt der Dekan. „Trausegen to go“, Viertele- oder auch Männergottesdienste seien weitere Formate, die Menschen neugierig auf Kirche machen, die sich sonst eher weniger mit ihrem Glauben auseinandergesetzt hätten.
Die Bildung der Kooperationsräume beinhaltet zudem, dass Kirchengebäude geschlossen werden. Hier sei man ebenfalls noch in der Beratungsphase, etwa, wie welche Gebäude genutzt werden oder wie es um ihre Energieeffizienz bestellt ist. „In diesem Bereich gehen wir beispielsweise auch ganz bewusst nach außen und suchen nach Kooperationen mit öffentlichen Playern im Gemeinwesen, um zu klären, ob wir nicht Räume gemeinsam nutzen können“, so Dekan Schulze, dem hierbei Verlässlichkeit ein großes Anliegen ist: „Es wird für jeden in erreichbarer Nähe eine Kirche geben und die Gemeindeglieder wissen, welcher Pfarrer für sie zuständig ist.“
Stellenkürzungen sind ein weiterer Punkt der neuen Struktur. Als Planungsgröße von der Landeskirche vorgegeben und noch nicht fix sind 1,75 Stellen bis 2026, zwei weitere Stellen bis 2032 und in den darauffolgenden vier Jahren 3,75 weitere zuzüglich einer Diakonstelle. „Von 2000 bis 2030 ist ein Rückgang von 57.000 auf 40.000 Gemeindeglieder prognostiziert. Wenn wir das berücksichtigen, hätten wir trotz Stellenabbau in etwa genauso viele Hauptamtliche wie jetzt und vor zehn Jahren“, rechnet Schulze die Zahlen gegen: „Die Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer sehen die anstehenden Veränderungen positiv und wollen Profile hervorheben, Stärken erhalten und sich als lebendige Gemeinde präsentieren. Nicht zuletzt klappt das in einer guten Teamarbeit.“
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