Tafel versorgt mehr als 700 Menschen
Sozialeinrichtung: Lage hat sich zum Ende des Jahres leicht entspannt - Helfer gesucht
Von unserem Redakteur GUNTER FRITSCH
WERTHEIM. Der Andrang bei der Wertheimer Tafel war in diesem Jahr schon so hoch, dass die Sozialeinrichtung erstmals in ihrer Geschichte im Mai einen Aufnahmestopp für Neukunden verhängen musste. Bedürftige, die eigentlich ein Anrecht auf Versorgung mit Lebensmitteln gehabt hätten, mussten weggeschickt werden. Auch wenn der Aufnahmestopp von Neukunden lediglich einen Monat dauerte: Seine Nachwirkungen seien noch heute spürbar, zieht der Geschäftsführer des Diakonischen Werks, Wolfgang Pempe, eine Bilanz am Ende eines vor alllem für die ehrenamtlichen Helfer im Tafelladen »sehr anstrengenden Jahres«.
»Es ist einfach toll, was die Helferinnen und Helfer im Wertheimer Tafelladen in diesem Jahr geleistet haben«, spricht Pempe seine Anerkennung aus. Oftmals hätten sie über die üblichen Ausgabezeiten hinaus zwei Stunden länger gearbeitet, um den Andrang überhaupt bewältigen zu können. Ein Andrang, der aus Sicht von Pempe gleich mehrere Gründe hat. Zum einen kommen immer mehr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in die Tafelläden - zusätzlich zu denen, die schon seit Jahren Bedarf haben. Doch auch die Zahl der Menschen, die schon länger auf die Tafel angewiesen sind, werde weiter steigen, ist Pempe davon überzeugt, dass die steigenden Ausgaben für Energie und Lebensmittel im kommenden Jahr zu einem erneuten Anstieg der Tafel-Kunden führen werden.
Derzeit sind für die Wertheimer Tafel 281 Berechtigungsscheine ausgegeben. Weil hinter den meisten Berechtigungsscheinen aber mehr als eine Person steht, ist die Zahl der Personen wesentlich größer, die über die Berechtigungsscheine versorgt werden. »Bei der Wertheimer Tafel sind es derzeit 429 Erwachsene und 279 Kinder«, nennt Dieter Adelmann, Leiter des Wertheimer Tafelladens, die aktuellen Zahlen zum Ende des Jahres 2022. Der Vergleich zur Mitte des Jahres, als der Andrang so groß war, dass die Tafel kurzfristig keine Neukunden mehr aufnehmen konnte, zeigt allerdings auch: Im Mai wurden 837 Personen von der Tafel versorgt, derzeit sind es 708. Für Adelmann ist diese leichte Entspannung auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass einige Personen wegen des großen Andrangs nicht mehr bei der Tafel einkaufen, obwohl sie dazu berechtigt wären.
Weniger Lebensmittelspenden
Diakonie-Geschäftsführer Pempe hat zudem Probleme mit den Spenden der großen Lebensmittelketten beobachtet. Von den Supermärkten und Händlern kämen weniger Lebensmittel an die Tafeln, beschreibt er eine Entwicklung, die allen Tafeln in Deutschland Sorgen mache. Weil der Handel sorgfältiger disponiere, auch um Kosten zu sparen, bleibe am Ende weniger übrig, das den Tafeln gespendet werden könne. Eine Entwicklung die auch Dieter Adelmann kennt, der er aber mit seinen guten Kontakten und regelmäßigen Anrufen bei den Lebensmittelhändlern zu begegnen versucht. »Vor Weihnachten und zwischen den Jahren sind wir gut mit Lebensmitteln versorgt worden«, erwartet Adelmann allerdings, dass es zu Beginn des neuen Jahres schlechter werden könnte.
Positiv stimmt Wolfgang Pempe die gestiegene finanzielle Spendenbereitschaft für die Arbeit der Tafeln, wie sie jetzt gerade wieder vor Weihnachten - auch in Wertheim - deutlich wurde. Erst jüngst hatte die Stiftung Würth 100.000 Euro an die vier Tafeln im Main-Tauber-Kreis überreicht. Geld, auf das die Tafeln im Landkreis angewiesen seien angesichts der aktuellen Krisen, die ihre Arbeit »vor enorme Herausforderungen« stelle, wie Pempe sagt. Auch Dieter Adelmann stellt eine vermehrte Spendenbereitschaft für die Arbeit der Wertheimer Tafel fest. Er berichtet von einer Frau, die jeden Monat ein Kuvert mit einer Geldspende für den Förderverein vorbei bringe.
Die Preisanstiege bei Mieten, Transport und Energie treffen auch die Tafeln massiv und können von den Fördervereinen nicht mehr in Gänze getragen werden, soll ein Teil der Geldspenden auch für diese Ausgaben verwendet werden, berichtet der Diakonie-Geschäftsführer weiter. Von dem Geld werde aber auch ein weiterer Lieferwagen für die Tafel Wertheim angeschafft, erläutert Pempe. »Der Wagen ist schon bestellt und soll im nächsten Jahr zugelassen werden.« Zudem werde Wertheim Mitte kommenden Jahres ein weiteres Kühlfahrzeug erhalten, das heute noch in Bad Mergentheim eingesetzt werde. Dort werde die Tafel dann ein neues Kühlfahrzeug erhalten.
Schwierig sei weiterhin die »Nachwuchsgewinnung« für die ehrenamtliche Arbeit in den Tafelläden. So würden etwa immer auch Fahrer benötigt. Oft kämen Personen zur Tafel, die sich noch fit im Ruhestand fühlten, um die anspruchsvolle und kräftezehrende Arbeit zu machen. Jüngere Personen für die Arbeit im Tafelladen zu finden sei dagegen oft nicht möglich, weil diese sich um ihre Familien kümmern müssten, sagt Wolfgang Pempe.
Staat in der Pflicht
Erfahrungen, die auch Dieter Adelmann in seiner langjährigen Arbeit als Leiter des Wertheimer Tafelladens gemacht hat. In jüngster Zeit sei es aber gelungen, zwei neue Mitarbeiter zu gewinnen. Das sind allerdings fast immer Personen, die sich schon im Ruhestand befinden und sich dann ehrenamtlich engagieren wollen. Zwei Schüler des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums haben zudem jüngst ein soziales Praktikum im Tafelladen absolviert.
Für das kommende Jahr sieht der Diakonie-Geschäftsführer die Tafeln vor neuen Herausforderungen. So müssten sie ihre Arbeit weiter professionalisieren und die Digitalisierung vorantreiben, ist Pempe überzeugt, dass so die Logistik jedes Tafelladens noch verbessert werden könne. Bei einer weiter steigenden Zahl an Tafel-Kunden sieht er neben den Kommunen und dem Landkreis auch das Land Baden-Württemberg und den Bund in der Pflicht, sich finanziell stärker für die Tafelarbeit zu engagieren. Udo Engelhardt, der Vorstand des Landesverbands Tafel Baden-Württemberg, hatte es jüngst so formuliert: Ehrenamtsstrukturen könnten nicht beliebig ausgeweitet werden, um die Versorgung bedürftiger Menschen zu garantieren. Dies sei letztlich eine staatliche Aufgabe. Eine Feststellung, die Wolfgang Pempe so unterschreiben würde.