Glaubt einfach
Warum Weihnachten trotz immer weniger Christen wichtig ist
Katharina Lindt, PZ-Redakteurin
Hand aufs Herz: Haben Sie schon einmal überlegt, aus der Kirche auszutreten? Wenn ja, sind Sie nicht alleine. Jedes vierte Kirchenmitglied hat in den letzten Jahren darüber nachgedacht. Jedes fünfte Mitglied hat es sogar fest vor. Bei den Katholiken mehr als bei den Protestanten – die Konsequenz zahlreicher Missbrauchsskandale, die unzureichend von der Kirche aufgearbeitet werden. Der Trend wird sich nicht umkehren, eher im Gegenteil: Bis 2060 werden laut dem
aktuellen Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung nur noch 22 Millionen Menschen Mitglied einer der beiden
großen Kirchen sein.
Eine Minderheit.
Vor Weihnachten stellt sich also die Frage: Wenn immer weniger Menschen einer Kirche angehören, ist das Privileg der kirchlichen Feiertage noch gerechtfertigt? Müsste die Gesellschaft, die immer diverser wird, darauf verzichten? Oder sollen sie gar durch weltliche Feiertage ersetzt werden?
Die Antwort lautet: Nein. Denn die christliche Prägung des Landes lässt sich trotz
einer schwindenden Mitgliederzahl nicht einfach so revidieren. Und das ist auch gut so. Dass auf Arbeit Ruhe folgt,
ist eine christliche Tradition. Der Rhythmus erinnert an die Schöpfung und die Auferstehung Christi. Im Beamtendeutsch dienen Sonntage und die staatlichen Feiertage der Arbeitsruhe und der „seelischen Erhebung“. Die Auszeit kommt also allen zu Gute. Schließlich verbringen auch Konfessionslose christliche Feiertage wie Weihnachten meist im Kreise der Familie. Und auch wenn der Grund, warum wir überhaupt Weihnachten feiern, in Vergessenheit gerät: Es ist eine Zeit des Austausches und des Innehaltens. Zumal: Menschen brauchen Bräuche – sie geben Halt, Orientierung und stärken den Zusammenhalt.
Dass christliche Feiertage wie Weihnachten weiterhin ihre Berechtigung haben, zeigt auch das Ergebnis des Religionsmonitors: Nicht der Glaube schwindet in der Bevölkerung, sondern das Vertrauen in die Institution Kirche. Drei Viertel glauben immer noch an Gott. Damit ist Religion weiterhin
eine Stütze für Menschen, sie wird aber immer individueller ausgelebt. Sprich, Menschen haben heute eine private
Beziehung zu Gott.
Ganz allein wollen sie aber nicht sein. Sonst hätten Bewegungen wie Fridays for Future oder die Letzte Generation nicht so einen Zulauf – die Menschen suchen nach Sinn, Gemeinschaft und Moral.
Die Kirchen sollten also den Wunsch nach Zugehörigkeit für sich nutzen. Ein Ort sein, an dem sich Menschen begegnen. An Heiligabend bietet sich die Chance.