Schwarzwälder Bote Donaueschingen, 24.12.2022

 

(K)ein Tag wie jeder andere

Porträt - Pfarrerin Lisa Bender spricht über das Fest und ihre Leidenschaft für den Beruf

»An Weihnachten kommt Gott den Menschen ganz nahe«. Für Lisa Bender ist jeder Tag Weihnachten. Den äußerlichen Unterschied macht für die Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen lediglich die Häufigkeit der Gottesdienste am 24., 25. und 26. Dezember. Birgit Heinig

Villingen-Schwenningen Sie weiß, dass viele Menschen große Erwartungen in diese Tage legen, obgleich gar nicht gesichert ist, dass Jesu am Heiligen Abend geboren wurde.

Selbst wenn: »Er kommt ja nicht als Held auf die Welt, der gleich auf den Putz haut und aufräumt, sondern als schwaches und hilfebedürftiges Kind«, sagt die 35-Jährige und lacht ihr herzliches Lachen. Der Heiland bringe also »keine fertigen Lösungen mit«, vielmehr mache er die Menschen staunen beim Wunder der Geburt. Das Paul-Gerhardt-Lied »Ich steh’ an deiner Krippe hier« gehört deshalb zu Lisa Benders Lieblingsliedern, heißt es darin doch: »O dass mein Sinn ein Abgrund wär’ und meine Seel’ ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen«.

Seit September 2021 ist Lisa Bender Pfarrerin in Villingen. Geboren wurde sie in Malsch bei Rastatt. Obwohl beide Eltern im Beruf waren, wollte sie ihnen zunächst »niemals« folgen.

Vielmehr lockte sie das Lehramt. Germanistik wollte sie studieren und das in Leipzig, ihrer Lieblingsstadt. Dass sie sich dann doch anders entschied, lag unter anderem daran, dass es seinerzeit – aus heutiger Sicht höre und staune man – zu viele Lehrer gab. Bei Leipzig blieb es, doch sie studierte dort Theologie. Besonderes Augenmerk legte sie dabei auf die Kirchengeschichte. Diese Leidenschaft ließ Lisa Bender eine Doktorarbeit schreiben, in der sie sich mit der Position der Kirche bei den Bürgerprotesten der 1970er-Jahre gegen das geplante und schließlich verhinderte Kernkraftwerk Wyhl befasste. Sie ist fertig und muss nur noch in den Druck gehen und veröffentlich werden.

Ein Plus der alten Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch, die zum Studium der Theologie gehören, liege in der Befähigung, die Bibel in ihrer Ursprünglichkeit lesen und selbst interpretieren zu können, sagt Lisa Bender. Sie staune stets über die Bandbreite der Übersetzungen.

Nach ihrem Studium in Leipzig und Heidelberg und dem Verfassen der erwähnten Doktorarbeit auf einer Qualifizierungsstelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin wurde Lisa Bender vom Oberkirchenrat für das Vikariat in die Bleichtalgemeinden Broggingen, Tutschfelden und Wagenstadt entsandt. Dort bestätigte sich, dass ihr die theologische Ausrichtung der badischen Landeskirche liege, sagt sie, außerdem liebe sie die Landschaft ihrer Heimat sowie die Sprache und Mentalität ihrer Bewohner. Für ihre erste Stelle als eigenständige Pfarrerin konnte sie aus Vorschlägen wählen. Dass sie sich für Villingen entschied, liegt an ihrem Kommilitonen aus dem Fach Jura, dem heutigen Grünen-Gemeinderat Oskar Hahn, der sich wie sie in der Studentengemeinde engagierte und den sie während des Studiums hier besuchte.

Die Stadt hat ihr sofort gefallen und sie erkannte, dass sie sich hier auch ohne Führerschein und Auto gut würde bewegen können. Umweltbewusst ist sie viel mit dem Fahrrad unterwegs und hat sich mittlerweile auch der »Solidarischen Landwirtschaft« angeschlossen.

Ihr Einstand in der Kirchengemeinde war von der Coronapandemie geprägt. Das kommende Weihnachtsfest ist daher in Villingen ihr erstes in Präsenz. Sie freut sich auf die Besucher, die an Weihnachten erfahrungsgemäß weitaus zahlreicher in die Kirchen kommen als im Rest des Jahres. Für Lisa Bender ist das kein Problem. Im Gegenteil: sie empfindet es als Fehler, die Kirchgänger, die lediglich an Weihnachten kommen, abzuwerten. »Einmal im Jahr ist auch regelmäßig«, sagt sie. Es gäbe schließlich viele Arten, Gott zu begegnen. Ihr Anspruch an jeden Gottesdienste sei es, Raum für Begegnungen zu schaffen und sie richtet die ihren immer wieder so aus, dass die Menschen dabei miteinander kommunizieren können.

Es reizt sie zudem, moderne, »ganz anderen« Weihnachtsgottesdienste abzuhalten. Nichts für Traditionalisten, für die die Weihnachtsgeschichte und »Stille Nacht« zwingend dazugehören. Ein bisschen wird das schon beim ökumenischen Familiengottesdienstes so sein, der am 24. Dezember um 16 Uhr vor der Lorettokapelle stattfinden wird und an dem Schafe des Untermühlbachhofes mitwirken. Bereits eine Stunde später, um 17 Uhr, leitet Lisa Bender in der Pauluskirche einen Weihnachtsgottesdienst mit dem Flötenkreis »Flauto Dolce«.

Am ersten Weihnachtsfeiertag wird es dort mit Hartmut Janke und Philipp Eschbach einen musikalischen Gottesdienst geben und am 26. Dezember wird sie den Kantatengottesdienst in der Johanneskirche, wo Teile des Weihnachtsoratoriums gesungen werden, als Besucherin ohne Aufgabe genießen können. Auch der spätere Heilige Abend gehört ihr und ihrer Lebensgefährtin. Da freut sie sich schon auf ihr erstes Erleben des Kuhreihens der Stadt- und Bürgerwehrmusik.