Badische Zeitung Freiburg im Breisgau, 28.12.2022

 

#freiburghältzusammen geht offline

Die Stadt schließt das digitale Bürgernetzwerk #freiburghältzusammen – wegen steigender Kosten und anderer Prioritäten. Allerdings hat sich die 2020 eröffnete Plattform auch nie wirklich mit Leben gefüllt.

Freiburg Die wenigen aktiven Nutzer des Netzwerks wissen Bescheid. „Im Mai 2020 haben wir mit Ihnen dieses spannende Projekt ins Leben gerufen“, verheißt dort der oberste Eintrag, „wir blicken zurück auf zwei ereignisreiche Jahre verbunden mit dem Versuch #freiburghältzusammen (#fhz) als eine datenschutzsichere, nicht kommerzielle Kommunikationsplattform in der Stadtgesellschaft zu etablieren. Leider ist uns das nicht gelungen.“ Daher habe sich die Stadt entschlossen, das Projekt zum Jahresende zu beenden. Die Reaktion darauf: drei traurige Smileys.
#freiburghältzusammen war zentraler Baustein der städtischen IT-Strategie und ein stark von OB Martin Horn angetriebenes Projekt. Mitten im Beginn der Pandemie gestartet, sollte die Plattform zunächst der Vernetzung von Corona-Hilfsinitiativen dienen und später zum Bürgernetz werden – Social Network, Nachrichtenmedium und Plattform für soziale Initiativen in einem. Und das nicht in der Hand eines datensammelnden Konzerns wie Whatsapp, Facebook und Co., sondern genossenschaftlich organisiert. Die Konzeption stammte aus einem Forschungsprojekt namens „Soziale Nachbarschaft und Technik“ (SoNaTe), das wesentlich von der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg aus koordiniert wurde.
Allerdings hat das Netzwerk die Startphase nie wirklich verlassen. Vor einem Jahr registrierte das Netz 2400 registrierte User – von denen viele einmal und nie wieder eingeloggt waren. Bis heute wurden es kaum mehr. Im Frühjahr 2022 wollten die Verantwortlichen nach einem Fachgespräch mit den Gemeinderäten nochmal einen neuen Anlauf wagen, mit besseren technischen Funktionen und auch einem neuen IT-Dienstleister, doch schließlich zog die Verwaltung die Reißleine. „Grund sind vor allem signifikante Kostensteigerungen für technische Anpassungen und den laufenden Betrieb“, sagt Rathaus-Sprecherin Petra Zinthäfner. Demnach wären dafür, sowie für einen Neustart der Plattform, Kosten in sechsstelliger Höhe entstanden. Seit dem Start hatte die Stadt für die Einführung, Marketing und Betriebsaufwand rund 150.000 Euro ausgegeben.
Zudem hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, das schrieben Bürgermeister Ulrich von Kirchbach und Michael Schulz, der stellvertretende Leiter des Amts für Digitales, in einem Brief an die Gemeinderäte. Flüchtlingszahlen, Inflation, Energiekrise und „eine mehr als schwierige Haushaltslage“ stellten die Stadt vor große Herausforderungen, heißt es da. „Für uns hat sich nun die Frage gestellt, ob dauerhaft vermehrte Ausgaben für den Betrieb angesichts dieser Rahmenbedingungen vertretbar sind“, heißt es weiter: „Diese Frage haben wir für uns mit Nein beantwortet.“
Peter Manns ist einer der wenigen, die das öffentlich bedauern. Er und seine Mitstreiter vom Verein „Mobiler Freiburger Altenservice“ hatten die Plattform als Verteiler für digitale Dokumente genutzt. „Wir haben nach und nach versucht, unsere Abläufe von analog zu digital zu entwickeln“, sagt er. „Das braucht insbesondere bei älteren Menschen Zeit – und jetzt wird alles bisher Erreichte gelöscht.“
Auch Thomas Klie findet das Aus „sehr enttäuschend“. Beim Professor der evangelischen Fachhochschule laufen die Fäden für das der Plattform zugrundeliegende Sonate-Projekt zusammen. „Offenbar will die Stadt die kommunale Verantwortung für die Digitalisierung nur begrenzt übernehmen“, sagt er. Der Stadt sei es vor allem nicht gelungen, #freiburghältzusammen im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern: „Wenn das nicht in den Kommunikationsroutinen der Bürger eingeflochten ist, dann haben die natürlich auch keine Lust, sich nochmal irgendeine App zu holen.“ Gerade Freiburg hätte da eine Vorreiterrolle spielen können, sagt Klie. Stattdessen scheinen nun auch Sonate-Pilotprojekte anderswo zu wackeln: „Die anderen Kommunen sind da ähnlich zurückhaltend.“