BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN - Brettener Nachrichten, 16.12.2022

 

In der Kirche bleibt es kalt

Irmeli Thienes

Viele bringen Sitzkissen in den Gottesdienst mit / Raumtemperatur ist oft ein Thema

Bretten. Nach zwei Stunden in einer kalten Kirche konnten sie nicht von einem Konzert-Genuss sprechen. Jutta Haag und ihr Mann waren froh, endlich nach Hause zu kommen. „Wir haben so gebibbert und gleich heiß geduscht und uns Glühwein gemacht“, berichtet die Kürnbacherin. „Man muss ja zusammenrücken“, meint sie weiter und drückt ihr Verständnis für die Solidarität mit der Ukraine und fürs Energiesparen aus. Dass Kirchen ihre Temperaturen aus den genannten Gründen senken, stieß bislang im Grunde auf breite Zustimmung. Wie sieht es jetzt aus, nachdem es wirklich kalt geworden ist?

„Ich bin nicht empfindlich, wir arbeiten als Winzer auch bei Minusgraden im Weinberg. Aber an dem Abend habe ich befürchtet, einen Rheuma-Anfall zu bekommen“, sagt Jutta Haag. „Und als ich mich umgesehen habe, habe ich viele frieren und auch einige früher gehen sehen“, so die Besucherin des Marc-Marshall-Konzerts vergangene Woche in der Sankt-Laurentius-Kirche in Bretten. „Das wollte ich dem Künstler aber nicht ankreiden. Er hat sich Mühe gegeben, und wir haben uns zum Glück nicht erkältet.“

Bei bisherigen Kirchenbesuchen in ihren Heimatgemeinden war es den Eheleuten Haag nicht so ergangen. „Aber der Winter war auch noch nicht so kalt“, sagt Jutta Haag. Beim Konzert hatten sie keine Decken mitgenommen in der Annahme, dass für Musiker und ihre Instrumente für ausreichend Temperatur gesorgt sei. Doch es kam anders. Die vorgesehenen zwei Stunden Konzert dehnten sich zudem auf zweieinhalb Stunden aus, da sie für einen guten Platz eine halbe Stunde früher gekommen waren.

Jutta Haag wandte sich aber an den Veranstalter. Christian Steinhaus von CTS Ticketing sagt zwar, die Kirche sei von 20 Weihnachtskonzerten mit Marshall „leider“ die einzige kalte gewesen. Dennoch habe er Verständnis, wenn die Kirchen die Temperatur von der Diözese vorgegeben bekämen. „Sie werden derzeit wenig geheizt. Und hätte es breiten Unmut gegeben, hätte Herr Marshall das bei der Autogrammstunde sicher gesagt bekommen.“

Pfarrer Harald-Mathias Maiba von der katholischen Seelsorgeeinheit Bretten-Walzbachtal beruft sich auf eben jene Vorgabe und Empfehlung der Diözese und des Stiftungsrates, wonach die übliche Temperatur derzeit zwölf Grad betrage. Fürs Konzert habe man am Mittwoch auf 15 Grad geheizt. Allerdings, sagt Maiba, habe er im Nachgang von Besuchern gehört, denen zufolge die Türen immer wieder offen standen. „Dass es da natürlich kalt wird, das tut uns sehr, sehr leid“, so Maiba. Allerdings seien rund 300 Besucher bei einer Beschwerde auch zueinander ins Verhältnis zu setzen.

Die Temperatur ist auch in anderen Kirchengemeinden ein Thema. Gottesdienstbesucher kommen in Daunenmänteln und dicken Stiefeln, berichten Pfarrer. In einigen Gemeinden änderten sich über die Pandemie hinweg zudem die liturgischen Abläufe, meist wurden sie gekürzt.

Pfarrer Dietrich Becker-Hinrichs beschränkt sich beim Predigen in der evangelischen Stiftskirche in Bretten auf etwa acht bis zehn Minuten und man kürze bei den Liedern. Pfarrer Maiba habe seine Gottesdienste auf etwa die Hälfte gekürzt auf nun etwa 45 Minuten.

Maiba zufolge sind trotz der zwölf Grad in den Gottesdiensten in St. Laurentius „gerade die älteren sehr verständnisvoll“. Da nehme er selbstverständlich Rücksicht auf die Gemeindemitglieder mit der Gottesdienstlänge.

Pfarrerin Sabine Hanseller zufolge hat der Kürnbacher Kirchengemeinderat beschlossen, im Januar oder Februar zu den Gottesdiensten ins Gemeindehaus umzuziehen. Das sei schneller zu heizen. „Aber an Weihnachten bleiben wir in der Kirche. Da kommen mehr Menschen und es ist festlicher“, sagt die Kürnbacher Pfarrerin.

Auch der Kirchengemeinderat seiner Gemeinde hat laut Becker-Hinrichs über Temperaturänderungen gesprochen. „Einigen ist es wirklich zu kalt mit 16 Grad“, sagt er, „wieder andere stellen sich darauf ein und bringen Sitzkissen mit“. So blieben nur Einzelne den Gottesdiensten fern. „Ich hoffe, sie kommen im Sommer wieder“, scherzt er.

Die Protestanten in Bretten können derzeit nicht ins Gemeindehauses ausweichen, weil das gerade renoviert wird. „Wenn aber viele Menschen zum Gottesdienst kommen, heizt die Menge an Menschen die Kirche mit auf“, so Becker-Hinrichs. Damit sei auf jeden Fall an Weihnachten ja zu rechnen.