Badische Zeitung Ortenau, 30.11.2022

 

Endlich wieder Bachs Weihnachtsoratorium

Es ging wie ein Aufatmen durch den hohen Kirchenraum als die Offenburger Kantorei den Weihnachtsklassiker anstimmte

Von Carola Bruhier
OFFENBURG. Kirchenmusikdirektor Traugott Fünfgeld war es ein Bedürfnis, seiner Freude über die Konzerte zum Start in die Adventszeit Ausdruck zu verleihen: „Am 1. Advent 2019 fand unser letztes oratorisches Konzert statt. Nach zwei Corona-Jahren, in denen auch das gemeinsame Proben schwierig war, es keine Aufführungen gab, sind wir zum 1. Advent mit dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach wieder da.“
Fünfgeld bedankte sich ausdrücklich bei den Sängerinnen und Sängern der Kantorei Offenburg, die trotz Online-Proben und zuletzt Proben in der ungeheizten Kirche mit schwieriger Akustik dabeigeblieben waren. Auch den Musikerinnen und Musikern des Kammerorchesters des Bezirkskantorats und den Solistinnen und Solisten galt sein Dank. Dann wird es still in der vollgepackten evangelischen Stadtkirche, bevor Pauken und Trompeten zum Auftakt der ersten Kantate erklingen. „Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage, rühmet was heute der Höchste getan“, schallt es vielstimmig durch die älteste evangelische Kirche in der Stadt. Es ist als ob ein Aufatmen durch den hohen Kirchenraum geht – für viele sind es bekannte Klänge und Worte, gehört doch das Oratorium von Bach weltweit zu den beliebtesten Weihnachtskonzerten. Das insgesamt sechs Teile umfassende Gesamtwerk folgt einer in sich schlüssigen Dramaturgie, deren Erzählbogen dem ganzen Geheimnis von Weihnachten als der Menschwerdung Gottes nachgeht. Dabei gehe Bach einer „irdisch-himmlischen“ Polarität nach, um so die Hörer inmitten des Irdischen, mittels seiner Musik, auf Spuren des Transzendenten zu führen, ist im Programmheft zu lesen. Bei den Konzerten am Samstagabend und Sonntagnachmittag kommen die drei bekanntesten Kantaten, eins, vier und sechs zur Aufführung. Teil eins erzählt Teile der Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium und spielt musikalisch mit den Gegensätzen Niedrigkeit und Majestät, Kind und Herrscher. Pauken und Trompeten, eine gewaltige Bass-Arie über den „großen Herrn und starken König“, gesungen von Clemens Morgenthaler stehen vor dem lieblichen Choral „ach mein herzliebes Jesulein“, eine weniger bekannte Strophe des Weihnachtsliedes „Vom Himmel her, da komm ich her“, gedichtet von Martin Luther. Morgenthaler, Professor für Gesang an der Hochschule Vorarlberger Landeskonservatorium in Feldkirch, ist dem Offenburger Publikum bekannt, begleitet er mit seinem Bass doch schon seit Jahren Fünfgeld bei seinen Konzerten. Sopranistin Eva-Maria Heinzle und Tenor Noriaki Yamamura überzeugen mit Arien und Rezitativen das Offenburger Publikum. Viola de Galgózyj erfreut mit ihrem warmen Alt das Publikum. Als die junge Kantorei-Sängerin Emma Schuffenhauer in Teil IV von der Empore ein Echo singt, ist das ein sehr berührender Moment. „Flößt, mein Heiland, flößt dein Namen auch den allerkleinsten Samen jenes strengen Schreckens ein? Nein, du sagst ja selber nein“, klingt es hell und stark von vorne durch den Kirchenraum. „Nein!“ echot es hell und fein von der Empore.
Der das Gesamtwerk und das Konzert beschließende Teil VI erzählt von den Gefahren, die dem Kind durch den Herrscher Herodes drohen, von der Hoffnung der Sterngänger und beinhaltet den wunderschönen Choral „Ich steh an deiner Krippe hier“, gedichtet von Paul Gerhardt. Krippenkind und Weltenherrscher, Gottesgeburt in Bethlehem und in der Menschenseele – Bach beschreibt Weihnachten als ein Fest des Trostes, der Freude und des inneren Friedens.
Als der letzte Ton verhallt herrscht ein Moment der Stille, bevor der Applaus durch die Kirche tost.