Mannheimer Morgen Stadtausgabe, 28.11.2022

 

Trost für Menschen im tiefen Tal

Blaulichtgottesdienst: Notfallseelsorge wird immer mehr gebracht – und hat jetzt vier weitere Kräfte als Verstärkung bekommen

Von Peter W. Ragge

Mit 17 Jahren ist sein Vater bei einem Unfall gestorben, die Mutter sehr schwer verletzt worden. Der Polizist, der ihm und seinem Bruder diese Nachricht überbracht hat, sei dann „einfach sitzen geblieben und hat unsere Tränen ausgehalten“, weiß Peter Rupp noch. Heute ist er es, der oft solche Botschaften überbringt – als ehrenamtlicher Notfallseelsorger, inzwischen als einer der dienstältesten Menschen in dieser Aufgabe. Nun hat er darüber gesprochen, beim jährlichen „Blaulichtgottesdienst“ für Angehörige von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen.

Ein großes Kreuz aus drei Teilen einer Steckleiter, lila Licht, ein Altar – so wird auch eine Fahrzeughalle der Hauptfeuerwache zum Raum für einen Gottesdienst. Das Lied „Ich lobe meinen Gott, der aus der Tief mich holt, damit ich lebe – Halleluja“ zeigt dann gleich, worum es geht. „Wir sind die, die Menschen oft aus der Tiefe holen“, so Stefan Kraus. Der katholische Gemeindereferent in Käfertal koordiniert mit dem pensionierten evangelischen Krankenhauspfarrer Ulrich Nellen die Mannheimer Notfallseelsorge, und er hat auch den Gottesdienst mit Lars Oehring (Feuerwehr) vorbereitet.

Schon 118 Einsätze haben die Mannheimer Notfallseelsorger in diesem Jahr absolviert – Tendenz steigend, denn im ganzen Jahr 2021 waren es 110. Meist geht es um Beistand für Angehörige bei plötzlichen Todesfällen, das Überbringen solcher Nachrichten mit der Polizei, Einschreiten bei drohenden Suiziden. Hinter den 118 Einsätzen stehen, so Kraus, über 500 betreute Menschen in seelischer Not.

„Wir müssen helfen, trösten, beraten, ermutigen, zuhören, einfach da sein“, beschreibt Peter Rupp die Aufgabe. Er ist Pastor der freien evangelischen Gemeinde Ladenburg, vom Schwaben zum – wie er sagt – „eingefleischten Mannheimer geworden“ und in seiner Heimat früher 17 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr gewesen. Nun sei er „Notfallseelsorger mit ganzem Herzen“ und gerne für die Menschen da. Wichtig sei es, „dass es nicht auch noch im Zwischenmenschlichen zu einer Energiekrise kommt, sondern dass wir weiter füreinander da sind“.

Menschen immer hilfloser

Dabei ist er einer der ganz wenigen Notfallseelsorger, die noch im kirchlichen Dienst sind. Nur sechs sind es noch, die anderen „haben soziale Berufe, kommen aus dem Rettungsdienst, sind städtische Angestellte, aber wir habe auch Immobilienmakler und Unternehmer“, so Stefan Kraus, die für das Ehrenamt sowohl den kirchlichen Kurs besucht als auch eine einsatzbezogene Ausbildung an der Landesfeuerwehrschule durchlaufen haben.

Nun ist auch ein Stadtrat dabei: Chris Rihm (Grüne), lange tätig als Einsatzleiter Rettungsdienst, zählt zu den vier neuen Notfallseelsorgern, die jetzt verpflichtet worden sind. Hinzu kommen Therese Helfert (Johanniter), Jennifer Schäfer (Erzieherin) und Bruder Markus Steinberger, schon früher in dem Bereich tätig und neu als Franziskanerpater in St. Bonifatius in der Neckarstadt. Sie verstärken jetzt das Team, das an den lila Jacken zu erkennen ist. Vesile Soylu, die 2016 erste islamische Notfallseelsorgerin Mannheims geworden war, erhielt nun noch die rote Weste einer Fachberaterin – sie hat eine ergänzende Ausbildung durchlaufen und kann damit den Bereich der Psychosozialen Notfallversorgung im Stab abdecken.

„Ein großartiges Zeichen für das weltoffene Mannheim“, äußert sich Erster Bürgermeister Christian Specht (CDU) dankbar für die Unterstützung bei Großeinsätzen. Die Notfallseelsorge leiste „einen ganz, ganz wichtigen Beitrag für die Menschen in der Stadt“, sei es für Einsatzkräfte, die ihre Erlebnisse verarbeiten müssten, oder für Betroffene. „Wir erleben auch, gerade bei Evakuierungen etwa nach Bombenfunden, dass die Menschen immer hilfloser sind, dass viele auch durch Corona einsamer geworden sind“, so Specht. Die Stadt werde daher dafür sorgen, dass die Notfallseelsorge materiell immer gut ausgestattet sei.

Die enge Kameradschaft und den Zusammenhalt in der, wie er sagt, „Blaulichtfamilie“ betont Feuerwehrkommandant Thomas Näther. „Allergrößten Respekt davor, was Sie leisten“ bekundet der evangelische Dekan Ralph Hartmann den Notfallseelsorgern auch im Namen seines katholischen Kollegen Karl Jung. „Sie helfen Menschen, die von einem Moment auf den anderen den Boden unter den Füßen verlieren.“ Ein Kompliment für den Blaulichtgottesdienst macht Gregor Bergdolt von der evangelischen Landeskirche Baden den Mannheimern. „Wenn es das nicht gäbe, müsste man es schleunigst erfinden.“ Er mahnt – auch an die eigene Adresse gerichtet –, die Kirche dürfe bei allen nötigen Sparmaßnahmen „nicht an der Nähe zu den Menschen“ sparen, wofür die die Notfallseelsorge stehe.