„Wertheimer Wohnzimmer“ startete
Freitagstreff im Stiftshof: Walter Hörnig und Wibke Klomp schaffen mehr als nur eine “Wärmestube“.
Von Nadine Schmid
Wertheim. „Ich habe was“, ruft der aus Afghanistan stammende neunjährige Mahyar. Er spielt gerade „Stadt – Land – Fluss“ mit ein paar Frauen. Ein älterer Herr aus der Kirchengemeinde schaut interessiert zu. Mahyars elfjährige Schwester Parisa macht ein Quiz und die dreiköpfige ukrainische Familie versucht, möglichst viele deutsche Sprachbrocken zu verstehen. Auf dem Tisch sind leere Teller mit Kuchenkrümeln und Kaffeetassen. Es wirkt wie ein Blick in das Wohnzimmer einer Familie. Und genau dieser „Blick“ hatte im Stiftshof am Freitag Premiere.
Obwohl nur mit einer Woche Vorlauf angekündigt, war das „Wertheimer Wohnzimmer“ bei seiner Eröffnung voll. Gefüllt mit ganz unterschiedlichen Menschen: vom Kind bis zum Senior, vom Alt-Wertheimer bis hin zu Zugewanderten aus verschiedenen Ländern. Sie unterhielten sich bei Kaffee und Kuchen, lernten sich kennen und spielten miteinander. Der Freitagstreff im Stiftshof soll sich als offener Treff für alle etablieren – eben als gemeinsames Wohnzimmer. Der Start ist gelungen.
Schon länger hatte Walter Hörnig, Vorsitzender von „Willkommen in Wertheim“, die Idee, man müsse bei den steigenden Energiepreisen eine Art Wärmestube einrichten. In Dekanin Wibke Klomp von der Evangelischen Emmaus-Gemeinde Wertheim fand er eine begeisterte Mitstreiterin. Schnell war man sich einig, dass es mehr sein müsste, eben ein Gemeinschaftsort für alle. So war der Name geboren: „Wertheimer Wohnzimmer“. Als Ort wurde die Bücherei im Stiftshof ausgeguckt.
Dann ging alles sehr schnell: Der Verein und die Kirchengemeinde verbreiteten die Information über die ihnen zur Verfügung stehenden Kanäle. Einige Frauen aus der Kirchengemeinde erklärten sich bereit, Kuchen zu backen. Die Kosten für die Getränke übernahm die Kirchengemeinde.
Und so wartete man am Freitag um 14 Uhr gespannt, was passieren würde. Zunächst kam niemand, aber dann kamen sie und belebten den Raum in wechselnden Besetzungen bis 17 Uhr.
„Es ist eine Plattform, um ungezwungen zusammenzukommen“, so Hörnig. „Wir wollten mit der Idee der Problematik von steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten etwas entgegensetzen. Aber es geht auch darum, dass sich hier ganz unterschiedliche Menschen treffen. So kommen sie aus ihrer ’eigenen Blase’ heraus und lernen sich kennen. Das ist auch eine Chance für die Menschen, die während der Corona-Krise Kontakte verloren haben und jetzt Anschluss suchen und neue Leute kennen lernen wollen.“ Hörnig machte klar: Es soll nicht um einen Treffpunkt nur für Bedürftige gehen. „Jeder ist willkommen, einfach mal vorbeizuschauen. Vielleicht will jemand sich mit einer Darbietung oder Programmidee einbringen. Das wäre prima.“
Seine Vorstandskollegin Elke Schwarzer lobte das Format: „Vorhin hat jemand gesagt: Der Freitag ist der neue Montag.“ Schon bisher bot der Verein den Montagstreff für ukrainische Geflüchtete im Familienzentrum auf dem Reinhardshof an. Dieser werde weitergeführt, habe aber eher das Ziel gehabt, Informationen zum Leben in Wertheim zu bekommen als gemütlich zusammenzusitzen. Im Wertheimer Wohnzimmer könne man beides.
Sophia Weber, Pfarrerin aus Bestenheid, die mit Klomp für die Kirchengemeinde anwesend war, zeigte sich ebenfalls begeistert von dem Angebot. Es sei niederschwellig. „Hier ist die Kirchengemeinde präsent. Wir öffnen die Türen für alle und schenken Wärme.“ Im Moment seien ja die Türen eher zu, damit die Wärme nicht nach außen geht. „Hier ist es warm, auch wenn wir in der Kirche selbst auch gehalten sind, Energie zu sparen“, fügte sie schmunzelnd hinzu. Schwarzer stellte noch eine zweite Wahrheit fest: „Wenn viele Leute zusammenkommen, braucht man gar nicht mehr so viel Heizung, um es warm zu haben.“ So hoffen sie und alle Mitstreiter, dass das Wohnzimmer immer gut gefüllt ist. „Gerade ist ja Weihnachtsmarkt. Vielleicht verirrt sich dabei der eine oder andere hierher.“ Sollte die Idee gut anlaufen, wäre eine Ausdehnung auf einen zweiten Tag in der Woche denkbar, meinte Walter Hörnig.
Das „Wertheimer Wohnzimmer“ ist ein offener Treff für alle Interessierten und ist zunächst immer freitags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.