Badisches Tagblatt Baden-Baden, 25.11.2022

 

Warme Stricksocken und Wolldecken sind gefragt

Wie die Kirchengemeinden mit der Energiekrise umgehen: Sparmaßnahmen sollen niemand vertreiben

Von Anja Groß

Rastatt – Energiesparen ja, aber nicht auf Biegen und Brechen – so lautet das Credo für den Winter in vielen katholischen und evangelischen Gemeinden. Man wolle niemand ausschließen, betonen alle. Dennoch werden schon warme Socken rausgekramt und Decken eingekauft.

„Im Winter ist es immer eher kalt in den Kirchen“, versucht Pfarrer Ulrich Stoffers abzuwiegeln. „Das weiß man und kann sich entsprechend anziehen“, kann er gerade das Lamentieren vieler über die vom Bistum empfohlene Absenkung der Temperatur in katholischen Kirchen auf maximal zehn Grad nicht nachvollziehen. Wenn alle Energie sparen müssen, könne die Kirche schließlich keine Extrawurst erwarten, appelliert er an die Solidarität.

Die letzte Temperatur-Entscheidung sei im Stiftungsrat aber noch nicht gefallen, sagt der Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Vorderes Murgtal. Auf jeden Fall werde man den Kirchgängern raten, sich warm anzuziehen oder Decken mitzubringen. Stoffers selbst hat schon mal die wärmenden gestrickten Wollsocken rausgesucht, wie er lachend einräumt – lieber vorsorgen als frieren.

„Eine Kirche kriegt man einfach nicht warm“, berichtet er von vielerlei Versuchen in den vergangenen Jahren. Oben sei es wegen der aufsteigenden warmen Luft meist wärmer, an Fenstern oder in der Nähe der Portale eher kühl und zugig. Zudem sei es nahezu unmöglich, die Temperatur zu messen: „Da kann man höchstens einen Durchschnittswert bilden.“ Dass deswegen viele Kirchgänger wegbleiben, befürchtet er nicht. Da seien die Corona-Lockdowns viel dramatischer gewesen.

Ähnlich klingt das bei Rastatts katholischem Stadtpfarrer Ralf Dickerhof. „Wir fahren die Temperaturen in den Kirchen auf zehn Grad runter“, berichtet er von der Entscheidung in den zuständigen Gremien. Man wolle die Situation dann beobachten und auf die Rückmeldungen hören, sieht er das aber nicht als unumstößlich an. Das Gemeindeteam von Zwölf-Apostel jedenfalls habe bereits vorgesorgt und Decken gekauft, die bei Bedarf verteilt werden sollen. Auch werde erwogen, eventuell Gottesdienste in die Werktagskirche oder kleinere Kapellen zu verlegen.

Schwieriger finden sowohl Stoffers als auch Dickerhof die Situation in den Gemeindehäusern. Für diese lautet die Empfehlung aus Freiburg: 19 Grad Raumtemperatur. „Da haben bei unserer Teamsitzung letztens alle nach einer Stunde die warmen Jacken angezogen“, berichtet Dickerhof aus eigener Anschauung. Und Stoffers berichtet, dass man erstmal Raumthermometer anschaffen musste, um in Erfahrung zu bringen, wann 19 Grad erreicht sind. Er betont: „Wir wollen die Pfarreigruppen nicht ausgrenzen, gerade nachdem sich vieles nach der Corona-Zeit endlich wieder regt.“ Die kirchlichen Gruppen hätten es nicht verdient, „dass man sie nur als Kostenfaktor sieht“, warnt er davor, auf Biegen und Brechen sparen zu wollen. Auch Mietern wie Krabbelgruppen oder Integrationskursen werde man nicht die Heizung abdrehen.

„Gruppenstunden, Chorproben und auch Sozialprojekte wie das sonntägliche Essensangebot für Bedürftige oder das Herzprojekt freitags in den Gemeinderäumen sollen weiterlaufen, ohne dass die Menschen in der Kälte sitzen“, sagt auch Dickerhof. Und Seniorengruppen dürften sich bei ihren Treffen nicht erkälten. Gerade mit Blick auf den sozialen Aspekt müsste man in diesen ungewissen Zeiten eher darüber nachdenken, Wärmestuben anzubieten, in denen Geist und Körper Wärmendes finden, spricht Stoffers eine für ihn zentrale Aufgabe der Seelsorge an.

Ganz unterschiedlich handhaben die evangelischen Gemeinden im Kirchenbezirk Baden-Baden-Rastatt das Thema Energiesparen. Die evangelische Stadtkirche Rastatt beispielsweise werde durchgehend beheizt, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Verwaltungs- und Serviceamts (VSA), Frank Löwe. Deren Versorgung soll bald auf Nahwärme umgestellt werden. „Manche machen Winterkirchen in den Gemeindehäusern und nutzen die Kirche teils gar nicht“, erklärt er weiter. In Rastatt habe man sich dagegen entschieden.

Eine Temperaturvorgabe gebe es nicht, erklärt Löwe. Das VSA mache aber Vorschläge zur Heizungsoptimierung. In den Verwaltungsräumen halte man sich an die gesetzliche Vorgabe von maximal 19 Grad. Die Temperatur in den Kirchen schätzt er auf zwischen 16 und 18 Grad. In Gemeindehäusern versuche man, die Raumnutzung zeitlich zu optimieren. Doch immer sei das eben nicht möglich, will auch das VSA niemand vertreiben. „Wir wollen schonend mit der Energie umgehen, ohne in Hysterie zu verfallen“, erläutert Löwe das Credo.

Und spricht noch einen ganz anderen Aspekt an: Die teils historischen Kirchenorgeln würden laut Experten nicht mehr als ein Grad Temperaturveränderung pro Stunde vertragen. Ulrich Stoffers weiß, dass man da auch aufpassen muss wegen der Luftfeuchtigkeit, denn: „Es ist teuer und sehr aufwendig, wenn eine Orgel von Schimmel gereinigt werden muss.“