mannheimer-morgen.de, 02.11.2022

 

150 Jahre Evangelische Kirche Heddesheim: Hoher Besuch zum Jubelfest

Am 16. November feiert die Evangelische Kirche in Heddesheim den 150. Jahrestag ihrer Weihung. Die Festpredigt hält Landebischof Heinrich Bedford-Strohm, der eins Lehrvikar in Heddesheim war.

Am 13. November 1872 ist die Evangelische Kirche in Heddesheim geweiht worden. Es war damals der Buß- und Bettag. Genau 150 Jahre später wird mit einem Festgottesdienst das Jubiläum des Gotteshauses in der Beindstraße gefeiert, auch diesmal am Buß- und Bettag, 16. November. Die Festpredigt hält Heinrich Bedford-Strohm. Der amtierende Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern war nicht nur von 2014 bis 2020 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sondern in seiner Ausbildung von 1992 bis 1994 Lehrvikar in Heddesheim. Der 62-jährige Theologe hat also eine besondere Beziehung zur Gemeinde.

Schneller Anruf in München

So hat Bedford-Strohm auch spontan zugesagt, zusammen mit den Heddesheimerinnen und Heddesheimern das Jubiläum der Kirche zu feiern. „Ich habe einfach im bischöflichen Sekretariat in München angerufen“, erzählt Pfarrerin Franziska Stoellger - und ganz unkompliziert sei eine positive Antwort auf ihre Anfrage gekommen. Bedford-Strohm hatte von 1981 bis 1988 in Erlangen, Heidelberg und Berkeley (USA) Evangelische Theologie studiert und 1988 in Heidelberg seine amerikanische Freundin, die Psychologiestudentin Deborah Bedford geheiratet. So kehrt der Bischof jetzt quasi an seine theologischen Wurzeln zurück.

Die Geschichte der Kirche in Heddesheim reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, wie Lokalhistoriker Einhard Kemmet beschreibt. Lange bevor hier die Reformation eingeführt wurde, gab es in der Gemeinde eine katholische Pfarrkirche mit dem Patrozinium St. Remigius. Je nachdem wer dann in der Folgezeit herrschte, wechselte die Kirche zwischen Katholiken und Reformierten, wurde das Gotteshaus aber auch von beiden Konfessionen genutzt - bis es 1705 endgültig in den Besitz der katholischen Gemeinde überging. Den Reformierten hatte man jedoch erlaubt, bis 1712 ihre Gottesdienste in St. Remigius abzuhalten.

Rathaus als Notlösung

Dann musste eine Alternative her! Zuerst kamen die Gläubigen in der Zehntscheuer unter. Ab 1725 durften die Protestanten ihre Gottesdienste 30 Jahre lang im gerade neu erbauten Rathaus abhalten, als Notlösung. Es dauerte bis Ostern 1754, bis die reformierte Gemeinde im Oberdorf ein Grundstück erwerben und eine Scheune zur Kirche umbauen konnte, die im Oktober 1756 „bey volkreicher Versammlung“ eingeweiht wurde.

Durch den deutlichen Bevölkerungsanstieg in Heddesheim in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die „Scheunenkirche“ dann aber zu klein. Zählte die Gemeinde 1784 noch 584 Einwohner, waren es 1818 fast doppelt so viele. Es stellte sich die Frage: Erweiterung oder Neubau der Evangelischen Kirche. Dazu gab es damals zahlreiche Pläne, die allerdings „an den unerschwinglichen Kosten“ scheiterte, wie Einhard Kemmet berichtet.

Erst als die Landeskirche beschloss, in dringenden Fällen auch Kirchenneubauten in Gemeinden zu finanzieren, „die keinen Anspruch an den Unterländer Kirchenfonds geltend machen konnten“, erhielt Pfarrer Friedrich Christian Hoek am 19. Mai 1868 die Zusage des Oberkirchenrats, den Neubau Heddesheim zu finanzieren - dort wo die alte Kirche der Reformierten von 1756 stand. Doch wo sollten die Protestanten nach dem Abriss ihre Gottesdienste abhalten? Die „beträchtlichen Auflagen der katholischen Glaubensbrüder“ wollte der damalige evangelische Kirchengemeinderat nicht erfüllen. Kemmet beschreibt: „Enttäuscht entschloss man sich, den Gottesdienst in der damals neu erbauten Schule abzuhalten. In der Chronik heißt es: „Von der Zeit, wo die alte Kirche abgebrochen war, wurde im neuen Schulhaus in der Beindstraße 19, im hinteren großen Schulzimmer Gottesdienst gehalten. Im Schulhof war ein Glockenstuhl aufgebaut, in dem zwei Glocken hingen.“

Für den jungen Heidelberger Architekten Hermann Behaghel der Evangelischen Kirchenbauinspektion Nordbaden war der Neubau in Heddesheim nach den Kirchen in Seckenheim (1866 bis 1868) und Wallstadt (1868 bis 1871) erst der dritte Auftrag - weitere sollten folgen. Ende 1969 begannen an der Beindstraße die Fundamentarbeiten. Die feierliche Grundsteinlegung am 10. August 1870 musste ausfallen, am 19. Juli 1970 hatte der Krieg mit Frankreich begonnen, die Bauarbeiten ruhten bis zum 10. Mai 1871.

Im neugotischen Stil

Dann ging alles ganz schnell, das Bauwerk im neugotischen Stil - fast 40 Meter lang, 18,6 Meter breit, Turmhöhe 51 Meter mit schmiedeeisernem Kreuz - wurde bis November 1872 fertig. Der Sandstein stammte aus den Steinbrüchen von Hohensachsen, Altar und Kanzel waren historisierend in gotischem Stil aus Holz gearbeitet.

Dekan Christian August Eberlin aus Handschuhsheim übernahm am 13. November 1872 die Kirchenweihe. An den Oberkirchenrat schrieb er damals: „Es war etwas gewagt, unter Schneegestöber mit der Pferdekutsche nach Heddesheim zu fahren. Die Gemeinde hat es übrigens an Bekränzung und Beflaggung der Häuser nicht fehlen lassen!“

Seit damals haben die Kirche und ihre Gemeinde viel erlebt. So mussten 1917 im 1. Weltkrieg zwei Glocken eingeschmolzen werden, die 1921 feierlich ersetzt wurden. Auch die Orgel musste im Februar 1917 dran glauben, der Zinnprospekt wurde zu Rüstungszwecken gebraucht. Immer wieder standen Renovierungsarbeiten an, so 1928 im Inneren. Im gleichen Jahr wurde auch die Orgel erneuert und 1939 das Kirchendach repariert. Umfassende Renovierungen standen 1962/63 sowie von 1997 bis 2000 an.

Orgelsanierung in Planung

Zum 150. Kirchengeburtstag wurde 2021/22 das Dach mit Schiefer neu gedeckt, Sandsteine an und in der Kirche bearbeitet, das Fenster der Sakristei instandgesetzt, das Kirchturmkreuz erneuert und die Turmuhr saniert (wir berichteten). Auch das neue Gemeindezentrum aus 2016 wird gut frequentiert. Die Sanierung der Orgel ist in Planung. „So sind wir gut aufgestellt und feiern jetzt gerne“, freut sich Pfarrer Dierk Rafflewski „über das, was wir jetzt an notwendiger Infrastruktur haben“. Trotzdem wollen er und seine Kollegin Franziska Stoellger nicht verhehlen, dass sich auch ihre Kirche nach 150 Jahren in einem Prozess des Strukturwandels befindet. Die Zahl der Heddesheimer Gemeindemitglieder habe sich von rund 5800 in den 1970/80er Jahren auf aktuell etwa 3500 reduziert.