Südkurier Bad Säckingen, 21.10.2022

 

Gotteshaus wird zum Kulturtreff

Stadt kauft Christuskirche und Gemeindesaal. Gottesdienste sind auch weiterhin möglich

VON MICHAEL GOTTSTEIN

Wehr – „Gott sei Dank, die Christuskirche ist gerettet“, meinte Wehrs evangelischer Pfarrer Peter Hasenbrink. Die Stadt kauft nämlich das Öflinger Gotteshaus samt Gemeindesaal zu einem Preis, über den Stillschweigen vereinbart wurde. Die Kirche wird künftig für kulturelle Zwecke genutzt, aber es werden weiterhin Gottesdienste gefeiert. Das Pfarrhaus und die in zwei Bauplätze umgewandelte Grünfläche werden an Privatleute veräußert.

„Seit 2018 wussten wir, dass wir etwas tun müssen“, erklärte der Öffentlichkeitsbeauftragte Karl-Wilhelm Frommeyer. Die 2014 fusionierte Kirchengemeinde Wehr und Öflingen hat keinen Bedarf mehr für das Pfarrhaus, und angesichts von weniger als 500 Protestanten in Öflingen ist die Zahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher so gering, dass sich die Erhaltung der Kirche kaum noch rentiert hätte. Das Gebäude ist in einem guten baulichen Zustand, doch die Sanitäranlagen des Gemeindesaals müssten saniert werden, und dafür gäbe es keine Zuschüsse der Landeskirche. Die Gemeinde beschloss daher, die Liegenschaften zu verkaufen, doch es ist nicht einfach, einen Privatinvestor für eine Kirche zu finden, da die Gemeinde großen Wert auf eine Erhaltung und würdige Nutzung des Gebäudes legt. Sie trat 2021 an die Stadt Wehr heran, und daraufhin begannen intensive Verhandlungen, Rücksprachen mit dem Oberkirchenrat und ständige Konsultationen der Kirchenmitglieder. Im September beschloss der Wehrer Gemeinderat in nicht-öffentlicher Sitzung, die Kirche zu erwerben. Das Geld wird die Kirchengemeinde zur Ablösung von Krediten, die sie von der Landeskirche bekommen hatte, nutzen. Im Rahmen eines Gottesdienstes wird die Kirche entwidmet, aber die Gemeinde erhält das Recht, einmal pro Monat einen Gottesdienst zu feiern.

Nach Absprache mit der Stadt sind auch weitere religiöse Veranstaltungen denkbar. „Heimatlos“ wären die evangelischen Christen in Öflingen nicht geworden: „Wir haben gute Kontakte zur katholischen Gemeinde, und wir hätten ein Gastrecht in der St.-Ulrichs-Kirche bekommen“, dankte Pfarrer Hasenbrink und resümierte: „Wir haben die Lösung erreicht, die wir uns erträumt hatten.“ Wie Bürgermeister Michael Thater mitteilte, habe der Gemeinderat die Kaufentscheidung mehrheitlich, aber nicht einstimmig getroffen. „Es war eine Entscheidung zwischen Emotion und Ratio.“ Einerseits habe die 1956 erbaute Kirche eine große ideelle Bedeutung für die Stadt und die Menschen, denn hier war die Wirkungsstätte des Ehrenbürgers Paul Gräb.

In der Christuskirche liegen auch die Wurzeln von „Kunst und Diakonie“, und Anne-Sophie Mutter wurde in dem Gotteshaus getauft und konfirmiert. Andererseits sah die Stadt keinen zwingenden Bedarf für das Gebäude, zumal in den nächsten zehn bis 20 Jahren rund 450.000 Euro investiert werden müssen, wie Sabrina Munoz Gerteis vom städtischen Grundstücksmanagement erklärte.

Der Erwerb erfolgt zum Jahreswechsel, bis dahin nutzt die Kirchengemeinde das Gotteshaus weiter wie bisher. Kulturamtsleiter Frank Wölfl lobte die gute Akustik der Kirche, in der bis zu 200 Menschen Platz finden. Sie sei sehr gut für Konzerte, Kino und Theateraufführungen geeignet. Ihm schwebt eine Nutzung nach dem Vorbild von St. Agathe in Schopfheim vor. Der Gemeindesaal könnte an Privatleute vermietet und für Volkshochschulkurse genutzt werden.

Die Grundstücke

Bei den anderen Liegenschaften handelt es sich um das Pfarrhaus mit einem 600 Quadratmeter großen Garten sowie um zwei Baugrundstücke für Einfamilienhäuser von jeweils rund 500 Quadratmetern. Diese werden über einen Makler verkauft. Es gab genügend Interessenten. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass Familien den Zuschlag bekamen“, erläuterte der Kirchengemeinderatsvorsitzende Lutz Jacobi. Die Gemeinde musste die Grundstücke zunächst „in Ordnung bringen“. Alte Leitungen verliefen quer durch den Garten und mussten neu verlegt werden, um die Grundstücke baureif zu machen.

Die Kirche

Die Christuskirche wurde 1956 erbaut. Hier lag die Wirkungsstätte des Ehrenbürgers Paul Gräb. In der Kirche finden sich ebenfalls die Wurzeln von „Kunst und Diakonie“. Die Geigerin Anne-Sophie Mutter wurde hier getauft und konfirmiert. Am Samstag, 22. Oktober, 19 Uhr, werden im Rahmen der Reihe „Akkorde“ Gige Brunner und Joe Bawelino hier ein Gitarrenkonzert geben.