Badisches Tagblatt Baden-Baden, 21.10.2022

 

Kein Einkaufssonntag im November

Stadt lehnt Antrag auf Ladenöffnung ab / Kunstaktion fällt damit ebenfalls ins Wasser

Von BT-Redakteurin Sarah Reith

Baden-Baden – Ein Event weniger in der Kurstadt: Der verkaufsoffene Sonntag am 6. November darf nicht stattfinden. Das hat die Baden-Badener Stadtverwaltung entschieden. Damit wird auch die eigentlich an diesem Tag vorgesehene „Contemporary Art Baden-Baden“ (CAB) weitgehend ins Wasser fallen.

Die Kunstaktion war der offizielle Anlass für den Einkaufssonntag gewesen. Einen solchen Grund braucht es rechtlich, damit ein Einkaufssonntag genehmigt werden darf. Und: Die entsprechende Veranstaltung muss eine größere öffentliche Wirkung haben und mehr Menschen in eine Stadt locken als die geöffneten Geschäfte selbst.

Genau das sieht die Baden-Badener Stadtverwaltung in diesem Fall nicht gegeben: Die Kunstaktion werde laut Prognose weniger Besucher anziehen als die durchschnittliche werktägliche Frequenz in der Innenstadt, erläuterte Stadtpressesprecher Jonas Sertl auf Nachfrage. Um Rechtssicherheit zu erhalten, habe die Stadt ein Gutachten in Auftrag gegeben. Demnach seien werktags von 13 bis 18 Uhr rund 4.000 Besucher in der Innenstadt unterwegs. So viele erwarte man für die CAB nicht.

Genau diese Kritik hatte zuvor auch die „Allianz für den freien Sonntag“ geäußert. Zu dieser Allianz gehören Organisationen der katholischen und evangelischen Kirchen und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie hatten die Pläne für den Einkaufssonntag kritisiert und sich deutlich gegen eine Ladenöffnung ausgesprochen.

Franz Bernhard Wagener, der derzeit die Einzelhändler-Vereinigung Baden-Baden Innenstadt (BBI) leitet, widerspricht: Man habe ausgerechnet, dass 7.000 bis 8.000 Menschen zur Kunstaktion kommen würden. Das sei natürlich nur eine Prognose: „Solange wir es nicht probieren dürfen, wissen wir auch nicht sicher, wie viele Leute zur Kunst kommen.“

Wagener reagierte fassungslos auf die Absage. „Es ist nicht nachzuvollziehen“, betonte er. Die Innenstädte gingen kaputt, während der Internethandel mit Verkäufen rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche boome.

Wagener: „Fastlebenswichtig“

„Gerade jetzt ist das für uns alle fast lebenswichtig“, verwies er auf die wirtschaftliche Bedeutung eines Einkaufssonntags. „In diesen fünf Stunden manchen wir einen Umsatz, den wir an zwei Werktagen nicht machen.“ Die Position der Gewerkschaft stoße auch bei seinen Mitarbeitern auf Unverständnis: Diese hätten gern gearbeitet. Sie bekämen für den Sonntagseinsatz einen 100-prozentigen Zuschlag: für fünf Stunden Arbeit am Sonntag also zehn Stunden frei oder doppelt so viel Geld wie sonst.

Für die Contemporary Art sollten an verschiedene Stellen in der Innenstadt Kunstwerke gezeigt werden. Geplant waren Ausstellungen an 25 Standorten, darunter in vielen Geschäften. An sieben Orten sollte es Zusatzevents geben, auch verschiedene Kinderaktivitäten waren vorgesehen.

Vieles davon werde nun ins Wasser fallen, kündigte Wagener an – schließlich stünden die Geschäfte als Veranstaltungsräume nicht zur Verfügung. Die Kunst komplett im Freien zu zeigen, sei zu dieser Jahreszeit aufgrund der Unsicherheit beim Wetter nicht möglich. Denkbar sei, dass verschiedene Einzelhändler dennoch Kunst präsentierten – dann eben an einem anderen Öffnungstag.

An der Aktion hätten sich unter anderem auch das Stadtmuseum, die Ateliergruppe Alte Fabrik und der Kunstverein Baden-Baden beteiligt. Auch die Vorsitzende des Kunstvereins, Ute Back, zeigte sich von der Absage nun enttäuscht: Der Verein habe seine Künstler und Räumlichkeiten vorstellen und unter anderem Malen für Kinder anbieten wollen.

Auch Baden-Badens Tourismus-Chefin Nora Waggershauser bedauerte die Absage. In der heutigen Zeit sei jede Möglichkeit, Umsatz zum machen, für den Einzelhandel enorm wichtig. Ein verkaufsoffener Sonntag sei da für viele eine Gelegenheit und es sei im Interesse der gesamten Stadt, „dass es der Innenstadt gut geht“.

Verdi: „Hausaufgaben nicht gemacht“

Die „Allianz für den freien Sonntag“ sieht sich dagegen bestätigt. „Die Stadtverwaltung hat wieder ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, kritisierte Thomas Schark von Verdi. Man habe den Eindruck bekommen können, dass die Kunstaktion nur kreiert worden sei, um den Einkaufssonntag zu ermöglichen. Die gesetzlichen Bestimmungen seien nicht eingehalten gewesen. Der Sonntag sei „ein hohes Gut, das wir verteidigen wollen“. Gerade in der heutigen Zeit bräuchten auch die Beschäftigten in den Geschäften Zeit für ihre Familien und um zur Ruhe zu kommen.

So sehen das auch die Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche, die in dem Bündnis aktiv sind. So betonte Thomas Dinger von der katholischen Arbeitnehmerseelsorge, der Einsatz gegen die verkaufsoffenen Sonntage sei „zeitgemäßer denn je“. Zudem seien durchaus nicht alle in Baden-Baden für eine Öffnung: Beschäftigte und sogar Betreiber kleinerer Geschäfte seien auf das Bündnis zugekommen und hätten sich entsprechend geäußert. Die Vertreter der Allianz wiesen zudem den Vorwurf zurück, sie hätten absichtlich kurzfristig gegen den Einkaufssonntag protestiert: Eine entsprechende Anfrage der Stadtverwaltung sei erst wenige Tage vor ihrer Kritik bei Kirchen und Gewerkschaften eingegangen. Man habe also nicht früher reagieren können.