Himmlischer Klang im Grünen
Bundesgartenschau: Glockenweihe auf dem im Bau befindlichen Stand der Kirchen auf dem Spinelli-Gelände
Von Peter W. Ragge
Kurfürst Carl Theodor hat sie 1755 in Auftrag gegeben, Mozart hat ihren Klang gehört, sie hat unzählige Kriege überstanden und war seit fast 70 Jahren verstummt: die Carl Borromäus-Glocke der Jesuitenkirche, benannt nach dem Namenspatron des Kurfürsten. Zuletzt stand sie nur in der Sakristei, aber jetzt hat sie eine neue Funktion bekommen – als Glocke der Kirche auf der Bundesgartenschau ist sie nun geweiht worden.
„Sie ist ein wichtiges Symbol“, so der evangelische Dekan Ralph Hartmann. Glocken hätten ja einerseits „etwas Archaisches“, meinte er angesichts der Urgewalten des Feuers beim Guss, „aber auch einen himmlischen Klang“. Und dieser Klang solle „Hoffnung und Zuversicht“ ausstrahlen, „Menschen zu Gott rufen, sie trösten und aufrichten“, ergänzte der katholische Dekan Karl Jung. Gemeinsam besprengten – mit Noah Kraus als Ministrant – die Dekane dann die besondere Glocke mit Weihwasser und salbten sie mit Chrisam.
Barbara Kraus, die für die Bundesgartenschau zuständige katholische Gemeindereferentin, durfte dann den ersten Glockenschlag vornehmen. Sie betreut mit der evangelischen Pfarrerin Nina Roller und mit Valentina Ingmanns sowie über 100 ehrenamtlichen Helfern während der 178 Tage den „Möglichkeitsgarten“, wie sich der Beitrag der Evangelischen und der Katholischen Kirche auf dem Spinelli-Areal, einem der beiden Gartenschau-Gelände im kommenden Jahr, nennt. „Das beste Buga-Team, das es je gegeben hat“, so Hartmann anerkennend.
Der 700 Quadratmeter umfassende „Möglichkeitsgarten“ sei „ein Ort mit viel Weitblick, Richtung Odenwald, Pfalz oder nach Mannheim“, schwärmte Pfarrerin Nina Roller über den Standort. Hier wolle die Kirche „mit Menschen in Kontakt kommen, sagen, dass wir sie ernst nehmen, sich einbringen und Zuversicht vermitteln“, beschrieb sie die Rolle.
„Ein wunderschöner Beitrag, der ein Hingucker sein wird“, freut sich schon jetzt Michael Schnellbach, der Geschäftsführer der Bundesgartenschau. „Ihre Ideen und Ihr Engagement sind ganz toll“, danke er beim von Markus Stoll und Ritchi Hutzel von der Band „Poker Kings“ mitgestalteten Glockenfest den Ehrenamtlichen. Sie wollen in dem „Möglichkeitsgarten“ zahlreiche Programmpunkte anbieten, aber auch einen Ort der Ruhe für die Gartenschaubesucher schaffen.
„Hier wachsen Perspektiven“ lautet das Motto auf diesem Erlebnisgelände ganz in der Nähe des künftigen Nord-Eingangs. Sein Grundriss entspricht dem einer Kathedrale. Lockere Sträucher und Stauden fassen das Gelände ein. Eine Bühne mit beranktem Dach bietet Raum für Feiern und Veranstaltungen. Ein künstlich angelegter Bachlauf mit Sitz- und Trittsteinen soll für Erfrischung sorgen und Tauffeiern an einem besonderen Ort ermöglichen. Recycelte Kirchenbänke laden zu Begegnungen ein.
Gut im Zeitplan
Noch stehen hier Bagger und ein Bauzaun. Aber der Bachlauf ist schon angelegt, ebenso sind die Kiesaufschüttungen für den aus Robinienholz entstehenden Kirchturm, das Kirchenschiff und den Kreuzgang fertig. Bis November werde der Bau stehen, so Architektin Ulrike Wyrwoll von der Abteilung Bauen und Liegenschaften der Evangelischen Kirchenverwaltung. „Wir sind im Bauzeitenplan“, hob sie hervor, und alles sei auch so angelegt, dass es nach der Bundesgartenschau „leicht wieder zurückgebaut werden kann“. Auch der Raum für Küche, Büro und Helfer ist nur ein Container. Er steht bereits, von ehrenamtlichen Helfern mit Holz verkleidet.
Und in der Mitte vom „Möglichkeitsgarten“ wurde nun auf einem Sandsteinsockel die Glocke postiert. 2023 soll sie die Gläubigen auf dem Bundesgartenschau-Gelände zu Andachten rufen. „Sie ist aber auch ein Friedenszeichen“, so Barbara Kraus, „denn sie wurde nicht als Munition eingeschmolzen“ – wie das manchen alten Glocken während der Weltkriege passierte.
Der Leiter der Erzbischöflichen Glockeninspektion, der Glockensachverständige Johannes Wittekind, schlug sie beim gemeinsamen Vaterunser. Wie er berichtete, war auch die Borromäus-Glocke – ursprünglich Teil des sechsteiligen barocken Geläuts, aber meist nur solistisch genutzt – im Zweiten Weltkrieg 1942 auf Weisung der Nationalsozialisten vom Turm abgenommen worden. Sie kehrte aber 1947 unversehrt und nicht eingeschmolzen vom Hamburg, einem der zentralen Glockenlager, zurück und wurde während des Wiederaufbaus 1948 zunächst wieder aufgehängt. Als 1956 ein komplett neues Geläut für die Jesuitenkirche entstand, kam sie ins Archiv der Kirche in der ehemaligen Kreuzkapelle neben der Sakristei.