Kirchliche Welt trifft sich in Karlsruhe
An der Vollversammlung des Ökumenischen Rates nimmt russisch-orthodoxe Delegation teil / Bundespräsident fordert deutliche Worte
Karlsruhe. Bischöfe aus Asien, Orthodoxe aus Äthiopien, Lutheraner aus Südkorea und Pfarrerinnen aus Hannover – die Kirchenwelt trifft sich zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe. Das Christentreffen bringt rund 800 Delegierte und mehrere Tausend weitere Gäste zusammen. In dramatischen Zeiten erwarten die Gastgeber ein sehr politisches Treffen – und sind etwas angespannt.Von Fabian Klask
Es ist ein großes christliches Durcheinander am frühen Morgen: Menschen in den unterschiedlichsten Gewändern drängeln sich am Eingang der Karlsruher Messehallen – eine Gruppe aber bleibt dicht beieinander: Es ist die Delegation der russisch-orthodoxen Kirche, fast ausschließlich Männer. Sie werden später in einer langen Reihe eher schweigsam im großen Saal der Messe sitzen. Ihre Anwesenheit macht das alles überragende Thema Krieg noch etwas greifbarer. Seit Wochen ist die Teilnahme der Russen ein Politikum für die Gastgeber, die Evangelischen Kirche in Deutschland und die badischen Landeskirche. Wie soll man umgehen mit dem christlichen Riesen aus jenem Land, das seit Monaten einen mörderischen Krieg im Nachbarland führt?
352 Mitgliedskirchen sind im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) organisiert. Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 160 Millionen Christinnen und Christen eine der mitgliederstärksten. Die Einladung an die Russen ist umstritten. Russlands Kirche ist eng mit dem Machtapparat Wladimir Putins verbunden und Patriarch Kyrill rechtfertigte den Krieg mehrfach – unter anderem als „metaphysischen Kampf“ im Namen „des Rechts, sich auf der Seite des Lichts zu positionieren, auf Seiten der Wahrheit Gottes“.
Der Weltkirchenrat will auch in Kriegszeiten im Gespräch bleiben – und begründet das mit der Tradition des 1948 gegründeten Rates, der Kirchen aus aller Welt zusammenbringt: „Wir kommen nicht zusammen, weil wir uns einig sind, sondern weil wir uns nicht einig sind“, sagt ÖRK-Generalsekretär Ioan Sauca. Weil am Mittwoch auch eine elfköpfige Delegation der eigenständigen Orthodoxen Kirche der Ukraine in Karlsruhe eintraf, ist ein erstes Gespräch der beiden Kirchen seit Kriegsbeginn möglich. Ob es stattfinden wird und mit welcher Aussicht – das liegt selbst für die Gastgeber noch im Unklaren. Der Weg ist weit, die Distanz zwischen den beiden Orthodoxen Kirchen könnte kaum größer sein.
Im politischen Berlin fürchtet man offenbar, dass die Kirchenwelt zu viel Rücksicht auf die Russen nehmen könnte. Bei seinem Besuch in Karlsruhe greift Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die russische Kirche scharf an: Deren Oberhäupter führten ihre Kirche und ihre Gläubigen auf einen „geradezu glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg“, sagt er.
In die Hoffnung auf christlichen Dialog will Steinmeier nicht einstimmen und mahnt die Delegierten des Weltkirchenrats ungewöhnlich deutlich: Er erwarte, dass den russischen Kirchenvertretern die Wahrheit über den brutalen Krieg und die Kritik an der Rolle der russischen Kirche nicht erspart bleibe. Ein Dialog, der sich auf fromme Wünsche beschränke, werde schlimmstenfalls zur Bühne für Rechtfertigung und Propaganda. „Um welchen Dialog geht es hier? Das ist die Wahl, vor der diese Versammlung steht”, sagt Steinmeier. Die russische Delegation hört still zu – teils mit gesenktem Kopf.
Stolz ist man bei der Evangelischen Kirche in Deutschland und der badischen Landeskirche, das nur alle acht Jahre stattfindende Christentreffen erstmals hierzulande ausrichten zu dürfen. Die katholische Kirche ist kein ÖRK-Mitglied. Sie nimmt als Gast teil.
Doch bei den Gastgebern wächst zu Beginn der Vollversammlung, die noch bis zum 8. September andauert, die Sorge, ein weiteres politisch heikles Thema könne Schlagzeilen machen: Eine Initiative aus badischen Vertretern von deutsch-israelischen Freundeskreisen wirft dem Weltkirchenrat „judenfeindliche Tendenzen“ vor, was der wiederum zurückweist.
Der ÖRK habe sich immer wieder Boykottaufrufen gegen Israel angeschlossen, heißt es in einer Erklärung der Initiative. Ein strittiger Antrag aus Südafrika will Israel zum Apartheid-Staat erklären. Die deutsche Delegation möchte ein israelkritisches Signal von deutschem Boden unbedingt verhindern und verweist darauf, dass alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen.
In einer unübersichtlicheren Welt soll der Christen-Gipfel aber auch neue Impulse für den christlichen Glauben, für mehr Klimaschutz und eine gerechtere Welt senden. In Karlsruhe gibt es ein umfangreiches öffentliches Rahmenprogramm mit Workshops, Konzerten und Diskussionen in der ganzen Stadt. Am Wochenende hat die badische Landeskirche ihre Gäste zu Pilgerreisen in die Region eingeladen. Auch viele südbadische Gemeinden wollen Gäste aus aller Welt empfangen.
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