BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN Karlsruhe, 01.09.2022

 

Ab jetzt ist Feingefühl gefragt

Von Sebastian Raviol

Beim Weltkirchentreffen geht es auch um zwei heikle Themen

Das Weltkirchentreffen ist erfolgreich in Karlsruhe angekommen. Das ist eine gute Nachricht für die Veranstalter, und es ist keine selbstverständliche. Dass sich Christinnen und Christen aus aller Welt in der Stadt treffen werden, mit dem Ökumenischen Rat eine Gemeinschaft präsent sein wird, die für rund 350 Kirchen und 580 Millionen Menschen steht, das ging bislang an der hiesigen Öffentlichkeit vorbei. Fairerweise muss man sagen: Selbst in kirchlichen Kreisen war das große Treffen bundesweit kaum ein Thema.

Nun aber ist diese Vollversammlung in der Innenstadt kaum zu übersehen. Wer am Kongresszentrum oder Marktplatz vorbeiläuft, sieht Bühnen, bunte Plakate, Infostände, hört Musik. Und doch haben manche schon geunkt: Vom Weltkirchentreffen wird man in der großen Wahrnehmung nur etwas mitbekommen, wenn etwas krachend schief läuft.

Und das stimmt: So schön die Bilder von Christen verschiedener Kontinente sind, die sich in den Armen liegen – Schlagzeilen liefern andere Themen. Vor allem bei zwei Themen ist von den Delegierten in Karlsruhe enormes Feingefühl gefragt.

Zum einen, das zeigte schon der Auftakt am Mittwoch, ist der Krieg in der Ukraine ein großes Spannungsthema. Teile der russisch-orthodoxen Kirche befürworten den Krieg. Der Ökumenische Rat hat sich dafür entschieden, die russisch-orthodoxe Kirche nicht aus der Gemeinschaft auszuschließen, sondern den Dialog zu suchen. Dieser Weg ist nur dann vertretbar, wenn er eine Konsequenz hat: Im Dialog darf es keine Kompromisse geben. Antworten auf die Fragen, wer den Krieg begonnen hat (Russland), wer der Kriegstreiber ist (Putin), sind nicht verhandelbar.

Für seine klaren Worte gegen die Führung der russisch-orthodoxen Kirche hat Bundespräsident Steinmeier zum Auftakt der Versammlung viel Applaus der Delegierten erhalten – ein wegen seiner Klarheit starkes Zeichen von beiden Seiten. Dass aber Kirchenvertreter aus Russland vor Ort und zum Dialog bereit sind, ist wichtig zu erwähnen. Auch, dass Teile der russisch-orthodoxen Kirche sich klar gegen Putin wenden, nicht ohne Risiko. Es wird für die Delegierten eine große Herausforderung werden, in diesem Spannungsfeld den sachlichen Ton zu wahren.

Das zweite große Konfliktthema ist der Umgang mit Israel und Palästina. Israel soll als gewalttätig, unterdrückend, als Apartheidsstaat definiert werden, so wünschen es sich manche Stimmen bei der Versammlung. Auch wenn sich dafür vorerst keine Mehrheit abzeichnet, könnten Diskussionen zu diesem Thema, die die Christengemeinschaft in einem zweigeteilten Bild zurücklassen, sehr schaden. Ab jetzt wird den Delegierten Feingefühl abverlangt.