Die Evangelische Kirche ringt um den richtigen Weg
Die Konsolidierung hat einige schmerzhafte Schritte mit sich gebracht.
Umgenutzte Immobilien, weniger Gläubige: Die Kirche wagt den Spagat.
MartinA Schaefer Pforzheim-Würm
Im Ortsteil Würm, der seit einigen Jahren zur Hoffnungsgemeinde gehört, lässt sich gut ablesen, auf welche Weise sich die Evangelische Kirche neu und vor allem flexibel ausrichtet: Der Kirche in Würm an der Hauptstraße steht nun ein Gemeindehaus zur Seite, in der Kita und Pfarrwohnung untergebracht sind. Und auch die dortigen Räume für die Schulkindbetreuung sind vermietet. Vor Jahren trennte sich die Kirche vom repräsentativen Pfarrhaus.
Seit über zehn Jahren treibt die Evangelische Kirche in Pforzheim ihren Umstrukturierungsprozess unter Beteiligung aller Betroffenen voran: Jedes Jahr treten knapp 1000 Menschen in Pforzheim aus der evangelischen Kirche aus, dazu führte das steigende finanzielle Defizit durch den enormen Immobilienbestand vor Jahren zu einem komplexen Prozess, den Dekanin Christiane Quincke ab dem Beginn ihrer Arbeit vor zehn Jahren mitgestaltet hat. Von den 1950er- bis in die 1970er-Jahre errichtete die Kirche eine enorme Infrastruktur, die bei aktuell nur noch 33 000 Gläubigen (im Jahr 2000: 50 000 Gläubige) längst zu groß und zu teuer geworden ist. Mit dem Wegfall von Funktionen, Gemeindehäusern und Pfarrämtern sowie durch notwendige Personaleinsparungen sind in der Konsequenz auch neue Zuschnitte der Gemeinden notwendig geworden. Und die zukunftsweisende Frage, wie Kirche ihre Aufgaben für die schrumpfende Gläubigerschaft in der Stadt noch angemessen leisten kann. Die Stadtkirche hat beispielsweise durch das neuerrichtete Haus der Kirche die Funktion von sieben Gebäuden ersetzen können. Das Hermann-Maas-Haus ging in diesem Zug durch Erbpacht an die Schulstiftung Baden (die PZ berichtete). „Ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind,“ erklärt Quincke. Die Reduzierung von Fläche schlage sich in einer besseren C02-Gebäudebilanz (41 Prozent Einsparungen seit 2017) und eingesparten Unterhaltungskosten (bei Gemeindehäusern jährlich um 15 Prozent) nieder.
Ein Teil ist abgearbeitet
Ein Teil der Aufgaben, die aus den Beschlüssen der Synoden erwuchsen, sei abgearbeitet, sagt Quincke im Gespräch mit der PZ. Weniger als ein Drittel der Immobilien sei veräußert, viele umgenutzt oder vermietet. So liegen beispielsweise in Eutingen und in der Gemeinde an der Christuskirche die Gemeindehäuser samt Kita und Wohnungen jeweils in der Hand von Wohnbaugesellschaften. Der aktuelle Doppelhaushalt der Kirche weise im Vergleich zum letzten Doppelhaushalt 500 000 Euro weniger Defizit auf. Es bestünden noch offene Posten, die aber gut über die Rücklagen zu begleichen seien. Deshalb sei die Evangelische Kirche Pforzheim aus der Haushaltssicherung entlassen.
Noch größere Anstrengung
Doch die Kirche werde sich nach Worten Quinckes künftig noch mehr anstrengen müssen: Denn alles, was an Menschen in die Stadt ziehe, sei nicht automatisch evangelisch. Bis zum Jahr 2040 rechnet die Kirche nur noch mit 20 000 Gemeindegliedern. Mit dem Strategieprozess „ekiba 2032 – Kirche.Zukunft.Gestalten“ will die Landessynode alle Verantwortlichen ermuntern, die Arbeit im gesellschaftlichen Wandel neu zu definieren und weitere Synergieeffekte zu schaffen.
Der Schrumpfprozess währt bereits länger: Während die Zahl der Taufen in den Jahren 2010 bis 2018 gar um 30 Prozent zurückgingen, sank die Zahl der Gemeindeglieder um 20 Prozent. Kein auf Pforzheim beschränktes Phänomen, auch Städte wie Karlsruhe und Mannheim bekommen den Wandel deutlich zu spüren, erklärt Pressesprecherin Claudia Becker. Deshalb sei ein Spagat nötig, der die Kosten einerseits, aber auch die Bedürfnisse der Gläubigen andererseits im Blick behalte.
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