Badische Zeitung Rheinfelden, Wiesental, 05.08.2022

 

Christliche Lesungen in lauschig-sommerlichen Gärten

Beim Auftakt der Reihe von Erzählabenden der evangelischen Kirchengemeinde las Wiltrud Walkenhorst in Gersbach aus dem Buch „Martin und Dominikus“

Von Roswitha Frey
SCHOPFHEIM-GERSBACH. „Was für eine schöne Stimmung“, sagte eine Besucherin begeistert beim Auftakt der sommerlichen Erzählabende der evangelischen Kirchengemeinden im Wiesental. An vier Abenden wird im August in vier Gärten in vier Orten zu literarischem und musikalischem Austausch eingeladen. Start war am Mittwochabend im christlichen Erzählgarten vor der evangelischen Kirche hoch oben in Gersbach.


Entspannt saß eine Gruppe auf Holzklappstühlen in diesem lauschigen Garten, in dem Bäume mit historischen Apfelsorten gepflanzt wurden und ein laues Lüftchen die Hitze erträglich machte. Begleitet von Glockengeläut und dem Geräusch vorbeituckernder Traktoren, stimmte Pfarrerin Ulrike Krumm, die sich auf der Gitarre begleitete, die Zuhörerinnen und Zuhörer mit geistlichen Liedern ein: „Halte deine Träume fest, lerne sie zu leben. Halte deine Freiheit fest, lerne sie zu leben“. Dies sei für sie eine Botschaft, sagte die Pfarrerin, die zum Mitsingen bewegte. Wiltrud Walkenhorst las aus dem vor fast 50 Jahren erschienenen Büchlein „Martin und Dominikus“ des Lehrers, Pfarrers und Schriftstellers Werner May, das sie so berührt hatte, dass sie es bei diesem Erzählabend vorstellen wollte. Die Erzählung schildert eine besondere Begegnung zwischen einem evangelischen und einem katholischen Pfarrer in einem schlesischen Dorf im späten 19. Jahrhundert, die sich tatsächlich so zugetragen hat. Mit angenehmer Stimme, anschaulich, zugewandt und fast schon schauspielerisch lebhaft las Wiltrud Walkenhorst die Szenen aus dem schlesischen Dorf anno 1880, wo die Katholiken im Ortsteil Ave und die Protestanten im Teil Marien in Frieden miteinander lebten. Hochwürden Dominikus Gabler hat den Spitznamen „Heiliger Josef“, weil er mit Holz und Säge fachkundig umgehen kann und die Schindeln an der Antoniuskapelle selbst anbringt. Dann sieht er, wie Kutschen mit Möbelwagen vorfahren und ein neuer Pastor, ein würdiger älterer Herr, mit seiner Familie in die seit einem Jahr vakante evangelische Pfarre einzieht. Spontan packt Hochwürden Dominikus mit an, schleppt Bilder und Hausrat ins Pfarrhaus. Von da an war das Eis gebrochen und der neue Pastor Martin Schlatter hofft „auf gute Nachbarschaft nicht nur im Dorf, sondern auch im Glauben“.


Später bringt Pfarrer Dominikus, dessen Schwester zeitweise den Pfarrhaushalt führt, dem „Bruder von der anderen Seite“ als Willkommensgruß Brot, Wein und ein Stück Speck ins Haus. Wiltrud Walkenhorst las eine weitere Passage, in der dem Geistlichen Martin Schlatter seine Kirche „dunkel und traurig“ vorkommt im Vergleich zu dem mit Blumen geschmückten katholischen Gotteshaus. Mit einem Kapitel, in dem die beiden Pfarrer „schon ein bisschen aufeinander zugehen“, beschloss Wiltrud Walkenhorst ihre Lesung, der die Gruppe gebannt lauschte. Zwischendurch stimmte Pfarrerin Ulrike Krumm hoffnungsvolle Lieder wie „Ich möchte wie ein Baum die Äste weithin recken“ an.


Der Gersbacher Abend war ein schöner, stimmungsvoller Auftakt der Erzählreihe, die an den nächsten Mittwochabenden in Gärten in Hausen, Schopfheim und Wiechs weitergeht. Als Nächstes erzählt Ulrike Krumm in Hausen über die spannenden Reiseerlebnisse des Apostels Paulus.


Termine: Erzählabende am 10. August, Pfarrgarten in Hausen; 17. August, Garten des evangelischen Gemeindehauses Schopfheim, 24. August, Pfarrgarten in Wiechs, jeweils 19 Uhr.