Für Geflüchtete vieles erreicht
Jörg Hinderer orientiert sich neu und will Zeit für seine Familie
RHEINFELDEN. Jörg Hinderer war viele Jahre lang eine der wichtigsten Personen in der Flüchtlingshilfe. Sechs Jahre war der evangelische Pfarrer Beauftragter des Kirchenbezirks Markgräflerland für Flucht und Migration. Noch viel länger war er im Freundeskreis Asyl Rheinfelden aktiv und dessen Vorsitzender. Beide Ämter hat er nun abgegeben, da er sich beruflich neu orientiert hat und mehr Zeit für die Familie haben will.Von Thomas Loisl Mink
Menschen zu helfen, die auf der Flucht sind, weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft sehen oder ihr Leben dort bedroht ist, war Jörg Hinderer immer ein Anliegen. Gemeinsam mit Herwig Popken, Gisela Besier und anderen hat er bereits im Frühsommer 2005 den Freundeskreis Asyl in Rheinfelden gegründet, der zweitälteste seiner Art im Landkreis Lörrach. Da lag es nahe, dass Pfarrer Jörg Hinderer die Stelle eines Beauftragten für Flucht und Migration 2016 übernahm, als die Badische Landeskirche solche Posten im Zuge der großen Fluchtbewegung im Jahr zuvor in allen Kirchenbezirken schuf. Eine halbe Stelle, die von vornherein auf sechs Jahre befristet war und Ende 2021 auslief. Nun ist er auch beim Freundeskreis Asyl zurückgetreten, um eine klare Trennung zu vollziehen, da immer noch viele Anfragen an ihn herangetragen würden.
Jörg Hinderer hat neue berufliche Aufgaben angenommen, nämlich die Vakanzverwaltung der Johannesgemeinde Dinkelberg und der Petrusgemeinde Herten. Weiterhin ist er Krankenhaus-Seelsorger am St. Elisabethen-Krankenhaus in Lörrach und am Kreisklinikum Rheinfelden. Privat will er aber nun mehr Zeit für seine Familie haben. Leicht ist ihm der Abschied von der Arbeit mit Geflüchteten nicht gefallen, ganz lässt ihn die Arbeit nicht los. Denn Hinderer lebt mit seiner Familie in der Kommunität Beuggen, einer christlichen Lebensgemeinschaft wo auch sieben afghanische Ortskräfte eingezogen sind, also ehemalige Mitarbeiter der Bundeswehr in Afghanistan.
Die Arbeit des Kirchenbezirksbeauftragten für Flucht und Migration ist nicht nur mit der evangelischen Diakonie und der katholischen Caritas, sondern auch mit dem Ehrenamt eng verzahnt. „Insofern ergab das wunderbare Synergieeffekte, weil ich die Anknüpfungspunkte vom Ehrenamt mitbrachte“, sagt Jörg Hinderer. „Kooperationen waren mir von Anfang an sehr wichtig“, stellt er fest. Solche habe es auch mit der evangelischen Erwachsenenbildung und dem katholischen Bildungswerk sowie mit der Integrationsbeauftragten des Landeskreises gegeben.
So hat man gemeinsam Fortbildungsreihen für Ehrenamtliche und Hauptamtliche organisiert oder die Ausstellung „Gesichter der Flucht“, bei der heutige Migranten, aber auch Deutsche, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Osteuropa vertrieben wurden, von ihren Schicksalen erzählten. „Es ging mir auch immer darum, eine Haltung zu vermitteln und den Migranten auf Augenhöhe zu begegnen, vorurteilsfrei und ohne zu pauschalisieren“, sagt Jörg Hinderer. Selbst unter den Leuten im Freundeskreis Asyl stellte er Nachholbedarf fest. Er ärgert sich, wenn von „Flüchtlingswelle“ wie von einer Naturkatastrophe gesprochen wird oder der diskriminierende Begriff „Asylant“ benutzt wird. Auch ist ihm wichtig, dass man Migranten in einem Lebensabschnitt begleitet und nicht „betreut“.
Als Kirchenbezirksbeauftragter hat er etwa zweimal im Monat eine Anfrage wegen Kirchenasyl erhalten. Da hätten aber viele Leute falsche Vorstellungen, und das könne nur die Ultima Ratio sein. Andererseits hatte er aber auch die Freiheit dazu, in dieser Hinsicht aktiv zu werden. Und einmal während seiner Amtszeit wurde in der Christuskirche in Lörrach tatsächlich Kirchenasyl gewährt. Von Migranten seien auch oft Anfragen nach christlichen Taufen gekommen. Das könne problematisch sein, weil es im Asylverfahren oft negativ ausgelegt wird. Deshalb galt seine erste Frage dem Status des Verfahrens. Aber auch dann ist Hinderer gegen vorschnelle Taufen. Erst nach einem Glaubenskurs mit fünf bis zehn Treffen habe er gefragt, ob derjenige wirklich bereit war, getauft zu werden. In der Mehrzahl waren es Iraner, die sich taufen lassen wollten. Sie hatten in ihrem Herkunftsland den Islam als Staatsreligion und Instrument der Unterdrückung erlebt und waren nun in einem christlich geprägten und sehr freien Land angekommen. „Das Christentum ist eine Religion der Freiheit“, betont Hinderer.
Als Kirchenbezirksbeauftragter ging er auch in so manchen Konfirmandenunterricht, um die Themen Flucht, Migration und Asyl anzusprechen, und nahm dazu oft junge Geflüchtete mit. Gottesdienste hat er zu diesem Thema gehalten und dieses in die Bezirkssynode eingebracht.Hinderer betrachtet es als Erfolg, dass der Kirchenbezirk Markgräflerland Mitglied bei „United 4 rescue“ geworden ist. Einem von der evangelischen Kirche angestoßenen Verein, der zwei Seenot-Rettungsschiffe im Mittelmeer unterstützt. 17 Jahre lang war Pfarrer Hinderer im Freundeskreis Asyl Rheinfelden tätig. „Damit aufzuhören, fällt mir eher schwer“, gesteht er. Doch es wäre nicht anders gegangen, weil für die Öffentlichkeit sein hauptamtliches und sein ehrenamtliches Engagement nur schwer auseinanderzuhalten war.
Der Freundeskreis hat (FK) sich auch politisch positioniert, erstmals im Dezember 2005, als die gut integrierte syrische Familie Murat abgeschoben werden sollte. Klassenkameraden der Kinder hatten Mahnwachen vor dem Rathaus organisiert und der FK hatte sich angeschlossen. Fast zwei Jahre sei das gelaufen. Schließlich bekam die Familie Kirchenasyl in der Gemeinde St. Josef, am Ende konnte sie bleiben. Eine Tochter arbeitet heute als Biochemikerin in der Schweiz, ein Sohn betreibt eine Praxis für Physiotherapie. Ein Erfolg ist es für Hinderer auch, dass der Freundeskreis Asyl 2014 den Bürgerpreis der Bürgerstiftung Rheinfelden bekam. So ist es ihm um den FK nicht bang. Er ist zuversichtlich, dass sich weiter Menschen dafür engagieren.
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