„Taschen kann man nie genug haben“
Benefiz: Frauenring und Diakonie erlösen bei Verkaufsaktion zugunsten der Beratungsstelle Amalie rund 7500 Euro
Von Christine Maisch-Bischof
Bergeweise türmen sie sich auf den meterlangen Holztischen, vor denen sich ganze Pulks von Schnäppchenjägern energisch gegenseitig den besten Platz am Stand streitig machen. Rund 4000 Exponate stehen bei der Handtaschenaktion zugunsten der Beratungsstelle Amalie auf dem Paradeplatz zum Verkauf bereit. Sie stammen allesamt von Privatpersonen und Firmen, die mit ihrer Spende Frauen in der Prostitution helfen wollen, den Ausstieg aus dem Milieu zu schaffen.
Und am Ende hat sich für die freiwilligen Helfer vom Deutschen Frauenring Mannheim (DFRM) und dem Diakonischen Werk alle Mühe gelohnt: Die Aktion „Gut aussehen und helfen“ hat das stolze Ergebnis von rund 7500 Euro erzielt. Bei der letzten Aktion vor der Corona-Zwangspause waren es 7000 Euro.
„Viele Handtaschenfans waren schon hier, bevor wir richtig aufgebaut hatten“, stellt Mitorganisatorin Hanne Kerker bei einem Blick über das Gewusel am Verkaufstisch lachend fest. „Aber die meisten sind spendabel“, räumt die DFRM-Vorsitzende Ute Münch ein. Was sie bislang einsammeln könne, sei beachtlich: „Es raschelt mehr, als dass es klimpert.“ Und schon heizt sie wieder das „Geschäft“ für den guten Zweck an: „Kaufen Sie. Auch Sie, liebe Männer, sind willkommen. Machen Sie uns ein faires Angebot.“
Originelle Spenden
Das lässt sich Gerhard Mooser nicht zwei Mal sagen. Die edel Strassfunkelnde oder doch lieber der Rucksack? Eine Leoprint-Variante mit Fransen macht nach kurzem Zögern das Rennen: „Ich bring’ meiner Frau immer was mit“, betont der Mann aus Plankstadt, der eine Schwäche für ausgefallenes Design hat.
Hinter dem Stand steht auch so mancher Freiwillige seinen Mann. Thomas Siffling ist nicht nur beeindruckt von der großen Spendenbereitschaft: „Das ist ja beachtlich, was da alles zusammengekommen ist.“ Vielmehr ist der Jazztrompeter und Produzent erstaunt, wie er lachend einwendet, „dass doch viele Frauen gleich mehrere Taschen gleichzeitig kaufen“. Nun, das soll schon mal vorkommen. „Ist ja auch gut so, geht ja um die Sache.“ Da kann ihm Musikerkollege Markus Sprengler nur zustimmen, der genau wie sein Vorredner fleißig den Verkauf ankurbelt und sofort zugesagt hat, als er gefragt wurde, ob er sich für Amalie starkmachen wolle. Das ist für Richard Heil schon lange ein Muss. Der Facharzt für Allgemeinmedizin vom Casterfeld hat bereits vor vielen Jahren die medizinische Betreuung der Frauen in der Draisstrasse übernommen. Überhaupt, auch wenn er schon Jahrzehnte praktiziere, seinen Beruf übe er immer noch „voller Freude“ aus. „Ja, das ist ja auch der Arzt meines Vertrauens“, wendet Violetta Heidenreich ein, die gerade für ihre Tochter eine pinkfarbene George Gina & Lucy-Tasche erstanden hat: „Das Logo mögen die Mädels.“ Und sie möchte mit ihrem Kauf den jungen Frauen helfen, „die oft an falsche Menschen geraten und keinen anderen Ausweg sehen, als sich zu prostituieren“.
Gleich nebenan reicht Geschäftsfrau und Ehrenamtliche Desi Fontanella einer jungen Frau eine braune Umhängetasche mit Seitenfächern. „Die passt zu mir wie die Faust aufs Auge“, stellt Nigar Butt fest. Als Laborassistentin von Roche Diagnostics arbeite sie oft im Homeoffice: „Da muss ich oft den Laptop transportieren, der passt hier super rein.“
Liebe auf den ersten Schnäppchen-Blick verbindet auch Petra Brendel mit einer Mickey Mouse-Tasche. „Ich habe ein Faible für ausgefallenen Teile“, gesteht die Mannheimerin. Da sie im „wahren“ Leben Gleichstellungsbeauftragte von der Agentur für Arbeit ist, könne sie solch eine Aktion für Frauen natürlich nur mit Freude unterstützen. Das sieht Christa Krieger ganz ähnlich. Die ehemalige Freilichtbühnen-Chefin hat gerade ein großformatiges Struwwelpeter-Bilderbuch für einen Vortrag gekauft: „Und, sehen Sie, die passende Tragetasche dafür habe ich hier gefunden.“
Mit seinem Einsatz als Handtaschenverkäufer auf ein Thema aufmerksam machen, „wo viele lieber wegsehen“, das möchte nicht nur Diakonie-Direktor Michael Graf, sondern auch Ralph Hartmann. Und auch wenn das Mannheimer Kirchenoberhaupt einwendet, dass seine Frau gar keine „so extreme“ Freundin der schmucken Accessoires sei, so ruft er doch einem potenziellen Käufer, der sich nicht zwischen zwei schicken Mitbringseln entscheiden kann, lachend zu: „Nehmen sie beide. Taschen kann man nie genug haben.“ Der Dekan wird schon recht haben. Schließlich ist es ja für eine gute Sache.