Fränkische Nachrichten Wertheim, 28.09.2023

 

Kirchengemeinde verärgert über Sparpläne

Konflikt: Priorisierung der Gebäude nach dem Ampel-Prinzip wird in Dertingen abgelehnt. Mehr Austritte befürchtet

Dertingen. Der Dertinger Kirchengemeinderat ist verärgert über Sparpläne der Landeskirche. Wie es in einer Mitteilung des Gremiums über eine Kirchenversammlung am Montag heißt, ist man mit der Gebäudepriorisierung der Kirchenspitze nicht einverstanden.

Der stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Wolfgang Stein, erläuterte demnach zu Beginn der Versammlung die Pläne der Landeskirche, 30 Prozent Kosten für kirchliche Gebäude einzusparen. Nach dem Prinzip der Ampelfarben seien alle Kirchen und Gemeindehäuser kategorisiert worden. Kirchengebäude der Kategorie „Grün“ würden im Sanierungsfall wie bisher mit der Baubeihilfe der Landeskirche finanziell unterstützt. Gotteshäuser der Kategorie „Rot“ dagegen würden nicht mehr bezuschusst und jene mit der Kategorie „Gelb“ stünden unter Beobachtung.

„Unumkehrbarer Gesamtschaden“

Nachdem jedoch die Kosten für Kirchenrenovierungen unmöglich von den Gemeinden selbst getragen werden könnten, bedeute dies in letzter Konsequenz, dass Dorfkirchen damit offiziell dem Verfall überlassen würden.

Für den Bereich Wertheim-Ost seien lediglich die Wehrkirchen in Dertingen und Urphar in die Kategorie „Grün“ eingestuft worden. Die Wehrkirche in Eichel, deren Baugeschichte ins zehnte Jahrhundert reicht, habe man hingegen der Kategorie „Gelb“ zugeordnet.

Wie Wolfgang Stein betonte, könne man aus Dertinger Sicht eigentlich zufrieden sein. Doch der Blick in die kirchliche Landschaft nach dieser Ampel-Einstufung mache deutlich, welcher unumkehrbare Gesamtschaden für die Evangelische Kirche angerichtet werde. Dorfkirchen seien das markante Merkmal für die Kultur im christlichen Abendland und zeigten die Präsenz von Evangelischer Kirche in der Mitte der Gesellschaft.

Die Hand an Gotteshäuser anlegen bedeute, an die Evangelische Kirche als Ganzes die Hand anzulegen. Bei einem gemeinsamen Termin mit den Mitgliedern des Bezirkskirchenrats habe der Kirchengemeinderat Dertingen die Gebäude-Priorisierung nach dem Ampel-Prinzip deutlich abgelehnt. Die Begründung, die man den Vertretern des Kirchenbezirks mitgeteilt habe, wurde anschließend von Wolfgang Stein der Gemeindeversammlung verlesen.

Der Kirchengemeinderat sei davon überzeugt, dass Fundraising-Konzepte zum Erhalt von Kirchen schon personell vor Ort nicht leistbar seien, noch dazu im Ehrenamt. Ebenso utopisch sei die Annahme, dass die Denkmalschutzbehörden mit mehr Fördermitteln bei Kirchenrenovierungen einspringen, wenn es von der Landeskirche keine Zuschüsse mehr gebe. Die langjährige Erfahrung zeige, dass Kirchgänger nicht in die Nachbargemeinden zum Gottesdienst fahren, wenn in der eigenen Kirche keiner gefeiert werde. Die finanziellen Nöte und sich abzeichnenden Engpässe auf Ebene der Landeskirche sehe man vor Ort sehr wohl. Die Kirchengemeinden stünden sicher auch zur konstruktiven Mitarbeit bereit.

Aber es falle zunehmend schwer, den Kirchengemeinden zu erklären, weshalb für die Erhaltung ihrer Dorfkirchen keine Finanzmittel mehr zur Verfügung stünden, während sich die Evangelische Kirche gleichzeitig mit sechsstelligen Beträgen an der Seenotrettung im Mittelmeer beteilige oder eine Erwachsenenbildung mit Gender-Themen fördere. „Es werden noch mehr Menschen aus der Kirche austreten“, lautete demnach die erste Befürchtung, die in der folgenden Diskussion geäußert wurden.

„Unzulässiger Vergleich“

Auch die Kirchengemeinderäte aus Kembach und Dietenhan, die mit zwei Mandatsträgern in der Versammlung vertreten waren, hätten diese Form der Gebäude-Priorisierung abgelehnt, habe Wolfgang Stein auf Rückfrage geantwortet.

Zum Vorgehen führte er aus, dass die Sparmaßnahmen von der Kirchenleitung geplant seien und nun in Form der Bezirkskirchenräte von den Kirchengemeinden die Zustimmung eingeholt werden solle. Es sei unzulässig, die ländlichen Gebiete mit ihrem noch funktionierenden Gemeindeleben mit Großstädten wie Mannheim zu vergleichen.

Kirchliches Leben vor Ort sei abhängig vom Kirchengebäude und dem Pfarrer, der seine Gemeinde und die Lebensumstände des einzelnen kenne. Den Vorschlag nach Unterschriftenaktionen gegen diese Vorgehensweise griff Stein mit dem Anliegen auf, in der Landeskirche eine Sensibilität für die Anliegen der Menschen vor Ort zu entwickeln.

Der Kirchenbezirk Wertheim sei durch Schuldekanin Cornelia Wetterich und Helmut Wießner in der Landessynode vertreten. Es sei nun deren Aufgabe, die Anliegen und Sorgen der Gemeinden in Karlsruhe zu kommunizieren.

Ortsvorsteher Egon Beuschlein meinte laut Mitteilung: Wenn aus der ganzen Landeskirche entsprechende Proteste und Ablehnungen in Karlsruhe registriert würden, könne man so etwas nicht durchgehen lassen.