badische-zeitung.de, 25.09.2023

 

Freiburger Islampädagoge will Modell des islamischen Schulunterrichts zu Fall bringen

Rechtsstreit Michael Saurer

Katholischen und evangelischen Religionsunterricht kennt man. Doch wer soll die vielen muslimischen Schüler an den Schulen Baden-Württembergs unterrichten? Seit vielen Jahren gibt es über diese Frage Diskussionen. 2019 bekam die sogenannte "Stiftung sunnitischer Schulrat" vom Kultusministerium den Auftrag, den Islamunterricht im Land zu regeln. Hinter der Stiftung stehen zwei muslimische Organisationen – der türkisch geprägte Verband der Islamischen Kulturzentren und die bosnisch dominierte Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland. Beide stehen im Ruf, eher islamisch-konservativ zu sein. Von Anfang an begleiteten das Stiftungsmodell Diskussionen rund um die Frage, inwieweit nur zwei, dazu noch ethnisch geprägte Gemeinschaften, der Pluralität des Islams Rechnung tragen.

Doch bislang hat sich das Modell bewährt. Im vergangenen Schuljahr besuchten an inzwischen 138 Schulen in Baden-Württemberg 8043 Kinder und Jugendliche islamischen Religionsunterricht. Das ist ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zu den Jahren 2020/21. Die Landesregierung sieht die Stiftung somit als Erfolg – auch mangels einer besseren Lösung. Tatsächlich haben sich außer den genannten schlicht keine weiteren ernstzunehmenden Organisationen beworben – und auch weiterhin sind keine anderen Partner in Sicht.

Freiburger Islampädagoge klagt

Im Juni 2024 hätten das Land, die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken und der Landesverband der Islamischen Kulturzentren als Träger der Stiftung das erste Mal die Möglichkeit zu kündigen – was aber bisher niemand wolle, teilte das Kultusministerium auf Anfrage mit.

Nun gibt es in der Regierung aber Sorgen wegen eines Rechtsstreits in Freiburg. Hintergrund ist die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Klage des Islampädagogen Abdel-Hakim Ourghi, der seit 2011 an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg lehrt, seit April 2021 mit einem Festvertrag.

Ende 2020 hatte die Stiftung Ourghi aufgefordert, einen Antrag auf eine Lehrerlaubnis (Idschaza) zu stellen. Die Erteilung dieser Lehrerlaubnis für angehende Lehrer wie Hochschullehrer ist eine von vielen Aufgaben der Stiftung. 2021 verweigerte sie dem bundesweit bekannten Streiter für einen liberalen Islam diese Lehrerlaubnis aber mit dem Hinweis, er habe kein Lehramtsstudium im Fach Islamische Theologie/Religionspädagogik oder einen "gleichwertigen Abschluss". Ourghi reichte Klage ein, nachdem die Stiftung seinen Widerspruch abgelehnt hatte. Angehende Islamlehrer darf er dennoch weiter ausbilden. Da er seit 2021 einen Festvertrag an der PH hat, kann ihm die Lehrerlaubnis nicht entzogen werden – das sieht mittlerweile auch das Kultusministerium so. Dennoch will Ourghi sich die Idschaza auf dem Klageweg erstreiten – nicht zuletzt, weil er so das gesamte Stiftungsmodell zu Fall bringen will. "Mein Ziel ist die Auflösung der Stiftung", sagte Ourghi vor einem Jahr der BZ. Sie sei ihm zu konservativ, zu wenig aufgeschlossen für seine liberalen Werte.

Es gibt durchaus juristische Knackpunkte

Es gilt nicht als ausgeschlossen, dass das Gericht ihm Recht gibt. Ein juristischer Knackpunkt könnte sein, dass der fünfköpfige Vorstand der Stiftung aus Personen gebildet wird, die von den beiden Verbänden benannt werden – aber für drei der Vorstandsmitglieder ist die Zustimmung des Landes erforderlich. Die Richter könnten monieren, dass die Religionsgemeinschaften zu sehr unter Kontrolle des Staates stünden.

Eigentlich sollte im Juli eine erste Verhandlung in Freiburg stattfinden. Die wurde aber vertagt, weil Ourghi seinen Anwalt gewechselt hat. Der neue Verteidiger musste sich erst einarbeiten. Zudem hat das Gericht, wie ein Sprecher auf Anfrage sagte, an beide Parteien "einen ausführlichen rechtlichen Hinweis durch die zuständige Kammer des Gerichts" gegeben. Hierauf haben die Beteiligten bislang noch nicht geantwortet. Auch dies ist als Hinweis zu sehen, dass es den Richtern um mehr als nur eine verweigerte Lehrerlaubnis geht.

"Dieser Schulrat ist nichts anderes als eine Fassade des Kultusministeriums", betont Ourghi. Eine Landesregierung habe aber nichts zu suchen in den internen Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft.

Wie eine alternative Lösung aussehen könnte, die verfassungsgemäß ist (siehe Kasten rechts), kann aber auch Ourghi nicht sagen. Die Muslime seien im Prinzip nicht organisierbar, so Ourghi.

Sollte das Gericht wesentliche Teile der Stiftungskonstruktion als unzulässig bezeichnen, sprich eine allzu große Staatsnähe sehen, könnte das Land mit leeren Händen dastehen. Sowohl im Kultus- wie im Staatsministerium verweist man auf die gute Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer und die Tatsache, dass der Kreis der Schüler weit über die genannten Verbände hinausgeht.

Nachsteuern ist nicht ausgeschlossen

Eine Sprecherin des Staatsministeriums betont mit Blick auf das Verfahren in Freiburg und die Stiftung: "Wenn man sich so gemeinsam auf den Weg macht, ist es ein normaler Vorgang, dass in der Anfangsphase bestimmte Rechtsfragen unterschiedlich beurteilt und gerichtlich geklärt werden." Denn es gebe dazu ja noch keine gefestigte Rechtsprechung, an der man sich orientieren könne. "Da ist es sogar wünschenswert, dass Grundsatzfragen – am Ende vielleicht sogar höchstrichterlich – geklärt werden. Davon kann auch eine Signalwirkung für andere Länder ausgehen, weil dann klarer wird, wie ein zukunftsfähiges Modell für einen konfessionellen islamischen Religionsunterricht im staatlich-schulischen Kontext rechtssicher ausgestaltet werden kann."

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Nadyne Saint-Cast hält den Rechtsstreit zwar für eine "individuelle Auseinandersetzung", aber "im Zweifel müssen wir das System anpassen". Dafür, wie diese Anpassung aussehen könnte, hat sie aber auch keine Lösung. Sie nennt die Stiftung ein "zartes Pflänzchen", will aber mit ihr weitermachen.

Der CDU-Abgeordnete Alexander Becker plädiert ebenfalls dafür, ein mögliches Urteil abzuwarten. Die CDU setze auf einen aufgeklärten Islam auf der "Basis unserer Grundwerte". Becker: "Wir wollen eine breite Repräsentanz der Glaubensrichtungen beim islamischen Religionsunterricht, dazu dient das Stiftungsmodell in der aktuellen Form."

Im Staatsministerium ist man von dem eingeschlagenen Weg überzeugt, schließt aber nicht aus, dass man nachsteuern müsse. Die Sprecherin betont, dass es am Ende aber um die Frage der Alternative gehe. Ein rein staatlich getragener Religionsunterricht wäre nicht verfassungskonform und würde die Frage der Akzeptanz von Seiten der Muslime stellen.

Und auch in der Stiftung sunnitischer Schulrat selbst sieht man sich auf dem richtigen Weg. "Die Sache ist am Laufen – und sie läuft gut. Der islamische Religionsunterricht ist fester Bestandteil der Schullandschaft geworden", sagt Amin Rochdi, Geschäftsführer der Stiftung.