Rhein-Neckar-Zeitung - Heidelberger Nachrichten, 05.08.2023

 

„Rot“ bedeutet nicht automatisch das Ende

Die evangelischen Gemeinden in der Region debattieren die Ampel-Einteilung ihrer Gebäude – Diskussion über Einsparungen

Von Felix Hüll und Nicolas Lewe

Region Heidelberg. Seit Jahresanfang bereiten Ampelfarben – insbesondere Rot und Gelb – evangelischen Christen auch in der Region Zukunftssorgen. Im Rahmen eines „Strategieprozesses 2032“ geht es um die künftige Finanzierung von kirchlichen Gebäuden. Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäuser wurden klassifiziert und stehen nun in der Diskussion: Bis Jahresende soll entschieden werden, wie mit welchen Immobilien verfahren wird. Von den vier Kirchenbezirken im badischen Teil der Region rund um Heidelberg gibt es öffentlich einsehbare Ampelkarten nur für das Dekanat Südliche Kurpfalz. Danach ist mit „Gelb“ – noch nicht entschieden – die Kirche in St. Ilgen gekennzeichnet. Bekannt wurde zudem, dass „Gelb“ auch für die evangelischen Kirchen in Gaiberg gilt und auch die Finanzierung für die Kirchen in Waldhilsbach und Mückenloch debattiert wird.

Die Protestanten erleben ebenso wie die Katholiken einen Rückgang der Mitgliederzahlen und des Beitragsaufkommens. Gleichzeitig sehen sie sich steigenden Kosten bei geringer werdenden Einnahmen gegenüber. Und so wie die vergleichbare Debatte „Kirchenentwicklung 2030“ in der Erzdiözese Freiburg der Katholischen Kirche läuft, so gibt es in der Badischen Evangelischen Landeskirche besagten „Strategieprozess 2032“. „Wir drehen da viele Runden auf Gemeinde-, aber auch auf Bezirks- und auf landeskirchlicher Ebene“, berichtet etwa Dekanin Christiane Glöckner-Lang vom evangelischen Kirchenbezirk Kraichgau, zu dem die Gemeinde Spechbach gehört.

In der Region Heidelberg gehören die evangelischen Kirchengemeinden zu fünf verschiedenen Kirchenbezirken (siehe Kasten). Und für jeden dieser Bezirke befindet sich die Diskussion darüber, wie die kirchlichen Gebäude vor Ort klassifiziert werden und wie mit ihnen künftig verfahren werden soll, in einem unterschiedlichen Stadium. Gibt es vor Ort eine andere Sicht der Dinge als im Kirchenparlament des jeweiligen Dekanats, der Bezirkssynode? Und wie ist der vor Ort gewünschte Bestand von Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäusern oder anderer Einrichtungen wie etwa Kindergärten künftig zu finanzieren, wenn der Oberkirchenrat keine landeskirchlichen Gelder mehr dafür bewilligen kann?

Die Einteilung anhand der „Gebäudeampel“ sieht folgende Klassifizierungen vor: „Grün“ bedeutet, dass es hierfür auch künftig aus zentralen Quellen Geldmittel geben wird. „Rot“ hingegen bedeutet, dass vom Oberkirchenrat keine zentrale Bauförderung mehr vorgesehen ist. Daraus muss nicht zwingend folgen, dass diese Immobilie aufgegeben wird. Jede Gemeinde vor Ort hat für sich zu entscheiden, welche Finanzierung sie künftig dafür findet, wenn sie den Bestand dieses Gebäudes sichern möchte. Die gelbe Ampelfarbe steht für alle Immobilien, die weder als grün noch rot eingestuft wurden. Auch hier muss die örtliche Gemeinde nach Lösungen suchen.

Im Kirchenbezirk „Südliche Kurpfalz“ hat die Bezirkssynode bereits eine Farbeinteilung für Kirchen und Gemeindehäuser getroffen, während genauere Pläne für Pfarrhäuser und Kindergärten für spätere Jahre vorgesehen sind, wie Dekanatssprecherin Elke Piechatzek auf Anfrage mitteilt. Christine Wolf, Schuldekanin im Bezirk Südliche Kurpfalz, hält es aber noch für zu früh, öffentlich darüber zu sprechen. Anders hingegen im Kirchenbezirk Kraichgau: „Momentan haben wir im Bezirkskirchenrat einen Vorschlag erarbeitet, was die Gebäudesituation im Kraichgau angeht“, antwortet Dekanin Glöckner-Lang. Und im Nachbarbezirk Neckargemünd-Eberbach, dem die meisten der evangelischen Kirchengemeinden im Heidelberger Umland zugehören, teilt Dekan-Stellvertreter und Pfarrer Gero Albert aus Eberbach mit: „Die Klassifizierungen sind in unserem Kirchenbezirk noch vorläufig und daher noch nicht öffentlich einsehbar.“ Andere Bezirke seien da schon weiter. „Tatsächlich geht im September die überprüfte Klassifizierung zur Anhörung in die Gemeinden“, so Albert: „Für November sind dann die Bescheide vorgesehen, welche Gebäude weiterhin noch mit zentralen Mitteln der Landeskirche mitfinanziert werden sollen.“

Mitten im Prozess befindet sich auch der Kirchenbezirk Neckar-Bergstraße, zu dem Dossenheim gehört. Weil dabei „sehr schwierige Fragen zu klären beziehungsweise Entscheidungen zu treffen sind“, wie Sprecherin Anja Blaensdorf mitteilt, rechnet man mit einer Dauer des Verfahrens von zwei Jahren. Blaensdorf: „Der Bezirkskirchenrat erarbeitet eine neue Stellen- und Liegenschaftsplanung, die Ende dieses Jahres beschlossen wird.“ Bisherige Planungen und Varianten seien auf Regionalkonferenzen den Gemeinden vorgestellt worden und würden jetzt diskutiert. Und Dekanin Monika Lehmann-Etzelmüller macht keinen Hehl daraus, „dass wir [Anm. der Redaktion: die Kirche im Gesamten] viele Mitglieder verlieren, die Gemeinden kleiner werden, wir viele Stellen nicht mehr besetzen können, da mehr in den Ruhestand gehen als nachkommen, und die Ressourcen zurückgehen.“ Dies habe zur Konsequenz, dass man in Zukunft mit weniger Personal, Liegenschaften und Geld auskommen müsse. Für den Kirchenbezirk Neckar-Bergstraße heiße das konkret, dass bis 2036 sechs Pfarrstellen von derzeit 21 und 1,5 Diakonenstellen abgebaut werden müssen. Erste Ergebnisse dieses „Entscheidungsprozesses“ werde es frühestens Ende dieses Jahres geben.

Worauf es den Gemeindeverantwortlichen bei der Strategiediskussion um Kirchenimmobilien besonders ankommt, fasst Pfarrerin Angelika Schmidt in Worte. Sie ist Sprecherin des Kirchenbezirks Neckargemünd-Eberbach. Schmidt: „Nicht der Verkauf von Gebäuden ist in unserem Kirchenbezirk derzeit Thema. Sondern die Verantwortlichen der Kirchengemeinden arbeiten daran, wie kirchliches Leben in Zukunft aussehen kann in Kooperationsräumen, die über einzelne Kirchengemeinden hinausgehen.“ Wie mit den vorhandenen Gebäuden umgegangen wird, solle von den Inhalten her gedacht, angepackt und abhängig davon gemacht werden, wie die Zukunftsplanung aussieht. Schmidt: „Natürlich haben auch wir Sparvorgaben der Landeskirche.“ In deren ländlichem Kirchenbezirk sei es ihnen jedoch wichtig, zunächst zu schauen, wie kirchliches Leben gestaltet werden könne in Anbetracht von Pfarrstellenkürzungen, demografischer Entwicklung und Lebendigkeit in den traditionell gewachsenen Dorfgemeinden. „Für uns ist wichtig, dass jeder Christ in unserem Kirchenbezirk ein Zuhause findet“, so Schmidt.

Zum Heidelberger Umland, aber nicht zur Badischen Landeskirche, gehören die
Neckarsteinacher Protestanten. Sie zählen zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und dem evangelischen Dekanat Odenwald. Dessen Sprecher Bernhard Bergmann erläutert die Situation: „Wir haben keinen Strategieprozess 2032. Unser Prozess heißt ,ekhn 2030’.“ Bis Jahresende müssen hier „Nachbarschaftsräume“ gebildet werden, in denen die Gemeinden mit einem Gebäudebedarfs- und Entwicklungsplan schauen sollen: Wo gibt es was? Was ergibt wo Sinn? Und was nicht? Eine synodale Arbeitsgruppe bereite die Entscheidung vor, die bis 2026 eine Dekanatssynode treffen soll. In Hessen hat man nicht das Bild einer Ampel gewählt, um die Immobilien nach drei Kategorien einzuteilen, sondern die im Prinzip aber vergleichbaren Kategorien werden anhand der Buchstaben A, B und C unterschieden. Dabei wird „C“ künftig nicht mehr von der Kirchenleitung finanziert werden.