rnz.de (Rhein-Neckar-Zeitung), 02.08.2023

 

Wurde die Kirchengemeinde Eschelbach enteignet?

Bei der Gemeindeversammlung wurde emotional diskutiert. Dabei gab es auch Infos zur Zukunft im Dekanat Kraichgau.

Sinsheim-Eschelbach/Kraichgau. (hh) Wie wird die evangelische Kirche im Dekanat Kraichgau in Zukunft mit Blick auf Personal und Gebäude aufgestellt sein? Und was ist mit den zahlreichen Grundstücken passiert, die sich einst im Besitz der Eschelbacher Kirchengemeinde befanden? Um diese und weitere Fragen ging es in der Gemeindeversammlung in Eschelbach, zu der rund 60 Gemeindemitglieder nach dem Gottesdienst in der Kirche zusammenkamen.

Nach der Begrüßung durch Bernhard Kinzel, dem Vorsitzenden der Gemeindeversammlung, stellte die Vorsitzende des Kirchengemeinderates, Heidrun Karrer, die Arbeit in den einzelnen Bereichen der Kirchengemeinde vor, darunter Gottesdienste und Kasualien, Kindergarten, Kirchenmusik mit Kirchenchor und Posaunenchor sowie Seniorenkreis. Im Anschluss stellten Dekanin Christiane Glöckner-Lang und der Vorsitzende der Bezirkssynode, Thomas Kerksiek, die wesentlichen Grundsätze des Strategieprozesses "Ekiba 2032" der Badischen Landeskirche
in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen.

Im Dekanat Kraichgau gibt es 46 Kirchengemeinden mit 84 kirchlichen Gebäuden. Da die Zahl der Kirchenmitglieder abnimmt, hat die Kirche weniger Geld zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund will die Badische Landeskirche 30 Prozent der Ausgaben für Personal und Gebäude bis zum Jahr 2032 einsparen. Dies soll erreicht werden, indem die Pfarrstellen im Dekanat stufenweise von 28 auf 19 im Jahr 2036 reduziert werden. Glöckner-Lang betonte, dass Entlassungen vermieden werden. Pfarrerinnen und Pfarrer, die in den Ruhestand gehen, werden nicht ersetzt.

Der Kirchenbezirk soll in drei Regionen aufgeteilt werden – Nord, Süd und Mitte – in denen Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgebaut werden sollen. Außerdem sollen 1,5 Pfarrstellen in der Region Mitte eingespart werden. Dabei gelten die Pfarrstellen nicht mehr für eine bestimmte Kirchengemeinde, sondern für ein unbestimmtes Gebiet.

Gründe für den Rückgang der Mitgliederzahlen sind laut Dekanin zur Hälfte die Austritte und zur anderen Hälfte demografische Entwicklungen: Die Zahl der Sterbefälle ist höher als die Zahl der Taufen. Für Eschelbach wurden fünf Austritte, fünf Sterbefälle und vier Taufen in einem Jahr registriert.

In den drei Regionen soll die kirchliche Arbeit in Dienstgruppen organisiert werden. Weiter wird überprüft, welche Gebäude in den Gemeinden künftig gebraucht werden, denn auch hier seien Einsparungen dringend erforderlich. Nach einer "Gebäudeampel" sollen kirchlich genutzte Räume mit grün, gelb oder rot eingestuft werden.

Dabei wird die Landeskirche für grüne Gebäude bei notwendigen Baumaßnahmen 50 Prozent Baubeihilfe gewähren, bei rot eingestuften Gebäuden jedoch keine Finanzmittel bereitstellen. Glöckner-Lang berichtete, dass Vertreter des Kirchenbezirks bei Besuchen vor Ort die Bewertungen mit Vertretern der Gemeinden abgestimmt haben. Die verbleibenden Gebäude sollen bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein.

In der anschließenden Diskussionsrunde forderte ein Teilnehmer der Versammlung eine stärkere Zusammenarbeit mit der katholischen Gemeinde bei der Nutzung von Räumen und in der Gemeindearbeit, wie es vereinzelt in manchen Orten bereits praktiziert wird. Er argumentierte: "Dies fördert die ökumenische Entwicklung und spart Kosten!" Auf die Frage, ob auf Kirchendächern oder kirchlichen Gebäuden Fotovoltaik-Anlagen installiert werden, sagte die Dekanin, dass die bisherigen Einschränkungen vom Denkmalamt gelockert würden.

Sehr emotional wurde nach einer Frage zu Eigentumsverhältnissen der Kirchengemeinde Eschelbach bei Grundstücken diskutiert. Ein Versammlungsteilnehmer stellte fest: "Die Kirchengemeinde hatte Grundstücke und war dadurch gut aufgestellt; heute ist sie eine arme Gemeinde!" Kirchengemeinderat Ewald Wingert erläuterte dazu: "Die Kirchengemeinde Eschelbach ist Eigentümerin des evangelischen Kindergartens und von vier Grundstücken." Laut Wingert gab es früher noch die Pfarrei Eschelbach, die Eigentümerin von neun Ackergrundstücken, 16 Erbpacht-Grundstücken und dem Pfarrhaus war.

Im Jahr 2000 wurde im Grundbuch der Name in evangelische Pfarrei (Pfarrpfründe) Eschelbach in Sinsheim-Eschelbach geändert. Auf Anfrage habe das Rechtsreferat des Evangelischen Oberkirchenrats festgestellt, dass Einnahmen der Pfarrpfründe-Stiftung Evangelische Stiftung Schönau der Erhaltung von Pfarrstellen dienen. Im Jahr 2002 habe die Landessynode der neuen Stiftungssatzung für die Evangelische Pfarrpfründe-Stiftung zugestimmt. I

m Jahr 2003 sei das Vermögen der ehemaligen Pfarrei Eschelbach wie das von 475 anderen bisher rechtlich selbstständigen evangelischen Pfarreien in der Evangelischen Pfarrpfründe-Stiftung in Heidelberg zusammengefasst worden. In der Diskussion wurde der Vorgang als Enteignung bezeichnet. Die kleinere Evangelische Pfarrpfründe-Stiftung sei damit von der größeren Evangelischen Stiftung Schönau einfach geschluckt worden. Nun sei nicht mehr erkennbar, wer ursprünglich Eigentümer der Grundstücke war.

Glöckner-Lang zeigte sich nach Wingerts Ausführungen überrascht, da sie bisher von dem Vorgang nichts gewusst habe. Sie versprach, sich um Aufklärung zu kümmern.